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Ein Toter fuehrt Regie

Ein Toter fuehrt Regie

Titel: Ein Toter fuehrt Regie
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Demütigung gelungen war. So tanzte ich mit, wenn sie pfiffen, und hoffte auf ihre Freundschaft. Vergebens.
    Sie töteten mich mit ihren Scherzen, mit ihren Streichen, die sie brauchen wie ein Rauschgift, weil ihnen die Arbeit selbst so wenig Genüsse verschafft. Erst die Gewißheit, auch an diesem Tage wieder Spaß durch mich zu haben, Spaß durch meine Narrenrolle, ließ sie jeden Morgen ihre Unlust überwinden, ins Büro zu kommen, wo es so wenig gab, was nach Erfolg aussah und sie befriedigte.
    Ausführlich zu berichten, was mir alles widerfuhr, würde Bände füllen. Lassen Sie mich kurz erwähnen, was mir gerade ins Gedächtnis kommt. Daß die vier mich Owi nennen, ist keinem zu verargen, der Astowitz aber muß mich tief verletzen. Tagtäglich war und bin ich das Opfer ihrer sogenannten Späße; ein Opfer, das noch lacht, obwohl es am liebsten weinen möchte, weil so die Pein am schnellsten endet. Weint man tatsächlich mal, so ist es gut, aber als Dauereinrichtung ist es tödlich – tödlich zumindest für einen rothaarigen, zwergwüchsigen und leicht verwachsenen Mann wie mich, einem unsagbar empfindlichen Menschen. Süßes ist mir widerlich; sie schütten mir Zucker in den Nescafé und freuen sich an meinem Brechreiz; sie verstecken meine Kugelschreiber und freuen sich, wenn ich suche wie ein Kind beim Osterfest; sie schrauben mir das Mikrofon aus dem Telefonhörer und freuen sich, wenn ich verzweifelt meinen Partner rufe; sie verstellen meinen Sessel und freuen sich, wenn ich beim Niedersetzen nach unten gleite und beinah mit dem Kinn die Tischkante berühre; sie setzen Ratten und Spinnen aus Plastik in meinen Schreibtisch und freuen sich, wenn ich vor Entsetzen schreie; sie sorgen dafür, daß bei jeder Wahl zum Betriebsrat eine einzige Stimme auf meinen Namen entfällt und freuen sich, weil alle denken, ich hätte mich selber gewählt; sie haben mir vor einem Vortrag ein Blatt aus meinem Manuskript genommen, es durch einen anderen Text ersetzt und sich über meine Verzweiflung gefreut; sie drehen meinen Schreibtisch mit den Schüben zur Wand und freuen sich, wenn ich nichts öffnen kann.
    Ich sehe Sie schmunzeln, Herr Kommissar: Was für harmlose Scherze, werden Sie sagen; war wohl ein bißchen überempfindlich, der Gute… Aber bedenken Sie bitte, daß fünf Gläser Alkohol für einen Mann wie Sie vermutlich ein Genuß sind, daß sie einen Säugling aber töten. Meine Sehnsucht nach Anerkennung und nach ernster Achtung, nach Erfolg und äußerer Würde ist so grenzenlos, wie keiner es ermessen kann. Doch das einzige, wozu ich meine Mitmenschen bewegen kann, ist die Aktivierung ihrer Phantasie, wie sie mich zum Mittelpunkt und Mittel ihrer rohen Scherze machen können. Sie krümmen sich vor Lachen, wenn ich erschrocken bin oder verdutzt, wenn ich rot anlaufe vor Schreck oder mich mit unvergleichlichem Ungeschick aus einer heiklen Lage zu befreien suche. Sie amüsieren sich wie die Soldaten, die in den Boden schießen und ihr armes Opfer um sein Leben tanzen lassen.
    Dies alles ist nur allgemein gesagt und reichte wohl allein nicht aus, doch jedem der vier sei noch eine spezielle Rechnung aufgemacht.
    Sie kennen inzwischen alle Kollegen, auch Fräulein Lux, und Sie wissen, wie wenig begehrenswert sie einem normalen Manne erscheinen muß. Dennoch, ich fand sie begehrenswert, als ich beim Betriebsfest im letzten Mai mit ihr tanzte. Berauscht von der Musik, glaubte ich, nachdem ich bis dahin für einen Liebesakt stets bezahlen mußte, endlich eine Frau gefunden zu haben, die etwas mehr für mich empfand, zumal ganz sicher war, daß sich an diesem Tage wie auch an allen folgenden kein anderer Mann für sie interessieren würde. Die Natur schien uns beide bestraft, aber wenigstens füreinander geschaffen zu haben. Ich flirtete und war verliebt und voller Hoffnung; die Nacht war lau, und zitternd vor Verlangen führte ich sie in den Wald hinaus. Sie gab sich locker und gelöst im Liebesspiel und schien alles unsagbar zu genießen, genau wie ich. Dann aber, als wir der Vereinigung und dem Höhepunkt zustrebten, fragte sie: «Ich nehm doch keine Pille – hast du was mit?» – «Nein», antwortete ich, worauf sie mich zur Seite stieß und sagte: «Du bist wohl verrückt – ich soll wohl ein Kind von dir bekommen!? Ich will doch keine Mißgeburt!» Ich hätte sie in dieser Sekunde erwürgen sollen, ich weiß, aber wie gelähmt lag ich im feuchten Gras, während sie mit schnell geordneter Kleidung ins Lokal
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