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Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)

Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)

Titel: Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
Autoren: Kate Noble
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Milz. Der Stock mit dem Silberknauf fiel klappernd zu Boden, als Johnny Dicks auf die Knie sank.
    »Die Taube hat mich nicht zur Strecke gebracht«, spie der Franzose aus, »und dir wird das auch nicht gelingen.« Mit einem raschen, boshaften Tritt krachte sein schwerer Stiefel gegen Johnny Dicks’ Kiefer.
    Johnny stürzte rückwärts, schmeckte den schmierigen Staub des Kopfsteinpflasters. Er lag auf der Seite und atmete schwer, in seinem Kiefer brannte es wie Feuer. Er schaute zu, wie der Franzose seinen Stock aufhob und davonschlenderte, als wäre nichts geschehen. Schließlich verschwand er um die nächste Hausecke.
    »Oh! Johnny!«, ertönte eine hohe, weiche Stimme. Johnny rollte sich auf den Rücken, stemmte sich hoch und erblickte Miss Meggie, die ›Lady‹ vor Ort – obwohl die junge Frau kaum mehr als zwanzig Jahre alt sein konnte, übte sie schon seit Langem ihr Gewerbe als Teilzeit-Prostituierte aus und arbeitete Vollzeit als Taschendiebin.
    »Bist du in Ordnung? Der Kerl hat dich ja weggepustet, als wärst du nichts als Sägespäne!«, sagte Miss Meggie und half Johnny, sich noch weiter aufzusetzen. Johnny betastete seinen Kiefer und freute sich, dass offenbar nichts gebrochen war. Aber er kam nicht umhin, ein wenig Blut sowie einen oder zwei Zähne auszuspeien.
    »Was hast du denn zu ihm gesagt?«, fragte Miss Meggie.
    »Gute Nacht habe ich gesagt.«
    »Aye, und genau das hat er dir wohl auch geantwortet«, schnaubte Miss Meggie verächtlich.
    »Nein, um ehrlich zu sein, er hat irgendwas Komisches gesagt … irgendwas über eine Taube.« Es schmerzte nur ein wenig, als Johnny die Brauen zusammenzog. »Meggie, könntest du den Kerl vielleicht verfolgen? Ich würde gern ein bisschen mehr über ihn erfahren.«
    »Keine Sorge, Johnny. Es hat noch nie einen Mann gegeben, den Meggie nicht zur Strecke bringen konnte.«
    Damit ließ Meggie ihn auf dem Boden sitzen und tauchte in die Gasse ein, in deren dunklen Schatten der Herr verschwunden war.
    Mit zwei Zähnen weniger und drei rasch anschwellenden Prellungen mehr saß Johnny eine Viertelstunde später wieder auf seinem Stuhl draußen vor dem Bull and Whisker, als Miss Meggie aus der schattigen Gasse auftauchte.
    »Was ist passiert?«, wollte er wissen.
    »Oben an der Hauptstraße hatte ich ihn eingeholt. Aber er ist in eine Kutsche gestiegen, die dort auf ihn wartete. Die Kutsche war zu schnell, ich konnte ihr nicht folgen.«
    »In welche Richtung ist sie gefahren?«, hakte Johnny nach.
    »Westen.«
    »Na ja, das ist immerhin etwas.«
    »Aye«, bekräftigte Miss Meggie lächelnd, »und das hier auch.« Aus der Rocktasche zog sie ein zusammengefaltetes Stück Kanzleipapier. »Ah, ah, ah!«, rief Miss Meggie lächelnd, hielt das Papier aber so lange außer Johnnys Reichweite, bis er eine Münze rausrückte.
    »Was steht da geschrieben?«, erkundigte sich Meggie und beugte sich über Johnnys Schulter, während er das Blatt auseinanderfaltete. Johnny konnte zwar nicht besonders gut lesen – er hatte andere Talente – , aber er wusste auch, dass Meggie diese Fähigkeit ganz und gar abging. Bereitwillig schickte er sich an, ihre Neugierde zu befriedigen, und konzentrierte sich auf die geschwungene, wohlgebildete Schrift.
    »Es ist … es ist eine Liste«, erklärte Johnny.
    »Und was für eine Liste?«
    »Keine Ahnung«, sagte Johnny. Im Geiste war ihm klar, dass er ein paar Puzzleteile zusammenfügen musste: einen Franzmann, der eine Taube erwähnt und ihn trotz seiner Trunkenheit mit der Präzision eines Scharfschützen niedergeschlagen hatte, und jetzt diese Liste. Nun hielt er die Teile in der Hand, hatte aber nicht die geringste Ahnung, wie er sie zusammenfügen sollte.
    Johnny drehte sich zu Miss Meggie. »Aber ich kenne einen Herrn, der uns helfen könnte.«

1
    Niemand würde bestreiten, dass Mrs. Phillippa Benning eine schöne junge Frau war. Umwerfend schön sogar – mit ihren kornblumenblauen Augen und dem seidigen Haar. Ihre Zähne hatte ein poetischer Gentleman einst als so vollkommen wie die Gestalt eines Korns gepriesen, aber das hieße dann vielleicht doch, die Metapher ein wenig zu sehr zu strapazieren.
    Mrs. Benning strahlte und funkelte – um es auf den Punkt zu bringen. Witz, Humor und sprühende Lebensfreude verschafften ihr Zutritt zu den aufregendsten Salons der guten Gesellschaft, und die war etwas, das die Lady genoss und zu der zu gehören sie auch weiterhin beabsichtigte. Wenn sie nun in ihrem Denken gelegentlich zu forsch und in
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