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Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Titel: Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
Autoren: Laura Mundson
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der Auseinandersetzung mit den schlimmsten Pessimisten keine Angst vor der Ehe. Für uns war das kein unerforschtes Territorium. Am Tag unserer Hochzeit beschritten wir einen Weg, den viele unserer Lieben schon vor uns gegangen waren. Wir waren die Nachzügler – beide, mit mindestens sieben Jahren Altersabstand. Gemeinsam hatten wir schon zahlreiche Hochzeiten besucht. Den Polterabend feierten wir weniger mit den Brautjungfern und Trauzeugen als mit unseren jungen Neffen und Nichten – zwölf an der Zahl. Wir betraten geheiligtes Familienterritorium. Und das gefiel uns. Wir liebten es sogar.
    Unsere Geschwister waren älter – in einigen Fällen sogar viel älter. Diese Kluft innerhalb einer Generation ist der Tatsache geschuldet, dass unsere Eltern den Zweiten Weltkrieg miterlebt haben. Sie wurden vor oder mitten in der Großen Depression geboren. Die Zigaretten- und-Cocktails-Generation mit den unbequemen Schuhen war nicht so versessen auf eine 2,2-Kind-Familie. Wenn es also am Ende noch den einen oder anderen Nachzügler gab, machte das nicht viel. Das Kind würde damit schon zurechtkommen.
    Unsere Brüder und Schwestern wurden in der Gegenkultur der Sechziger groß und verpassten unseren Eltern einen Crashkurs in Sachen Haschisch, Miniröcke, LSD, Grateful Dead und Anti-Patriotismus. Das wirkte sich so aus, dass, bis wir selbst so weit waren, alles, was wir bieten mussten, um uns das elterliche Wohlwollen zu sichern, eine einigermaßen akzeptable Haarlänge sowie das Vermeiden allzu schrecklicher Peinlichkeiten in der Öffentlichkeit war.
    Folglich konnten wir uns de facto fast alles erlauben – er in seiner New Yorker Vorstadt, ich in meiner Chicagoer. Das
liebten wir aneinander – und entdeckten es auch sofort in den Augen des anderen, als wir uns zum ersten Mal sahen: Wir beide hatten gern unseren Spaß. Und wir liebten es, damit durchzukommen.
    Gleichzeitig war es in den Siebzigern für uns Nachzügler aber auch ziemlich einsam gewesen, denn bei allem hatte man sich quasi als Einzelkind gefühlt. Als hätten wir den ganzen Spaß versäumt. Als mein Mann und ich uns kennenlernten, durchschauten wir einander in dieser Hinsicht sofort. Wir waren in unserer Kindheit oft einsam gewesen. Man hatte sich nach den älteren Geschwistern gesehnt, die in Internaten oder schon auf dem College waren. Wir hätten uns Gesellschaft gewünscht. Dass die Familie zusammenkam. Kein Wunder also, dass wir beide so scharf darauf waren, in nicht zu ferner Zukunft eine eigene zu gründen.
    Außer älteren Eltern und Geschwistern und gut betuchten Verhältnissen waren unsere Väter noch mit Überziehern aus Wollstoff und weichen Filzhüten zur Arbeit gefahren und hatten in exklusiven Herrenclubs in der Innenstadt ihr Mittagsschläfchen gehalten und zu Abend gegessen. Unsere gutangezogenen Mütter waren großartige Gastgeberinnen und hatten uns beigebracht, ordentlich Guten Tag zu sagen und das richtige Besteck zu benutzen. Man hatte uns in verflixte Sommerlager geschickt, später auf Internate in Neuengland und schließlich auf ein privates College in Ohio zum Studium der freien Künste. Dort lernten wir uns dann kennen.
    Ich hatte damals schlimmen Liebeskummer, weil eine dreijährige Beziehung plötzlich in die Brüche gegangen war. Und nachdem ich einige Wochen im abgedunkelten Zimmer verbracht hatte, überredeten mich meine Freundinnen, mit zu einer Studentenverbindungs-Party zu kommen. Ich ging zu jenem Zeitpunkt meines Studiums eigentlich nicht auf solche
Feste. Ich hatte gerade ein Jahr in Florenz studiert und zum ersten Mal in meinem Leben Unkonventionalität und echte Inspiration erfahren. Und im Vergleich zur Renaissance wirkte die ganze College-Studentenverbindungs-Szene, ehrlich gesagt, ziemlich blass. Doch da war er. Und sah aus wie der David von Michelangelo. So attraktiv und selbstsicher und talentiert.
    Mein Mann ist kein kantiger Typ. Er hat lockiges Haar. Rundliche Muskeln. Ein strahlendes Lächeln. Seine Schwestern und seine Mutter besitzen das gleiche Lächeln, was mich manchmal ganz schön irritiert, weil ich es inzwischen gewohnt bin, dieses Lächeln zu sehen und automatisch zu denken: Meine Güte, einfach zum Küssen .
    Das dachte ich mir auch schon an jenem Abend, als ich oben an der Treppe in dem Haus der Studentenverbindung stand, in das Partygewühl hinunterschaute und zu meiner Freundin sagte: »Wie heißt denn der Junge da?«
    Aber ich wartete nicht einmal ihre Antwort ab, sondern lief die Treppe
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