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Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Titel: Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
Autoren: Laura Mundson
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Art abzuwehren und in einem Meer des Vergessens zu versenken. Und sollte irgendein Gedanke dich bedrücken und solltest du dich beständig fragen, was du anders hättest machen sollen, dann antworte ihm mit keinem weiteren Wort als mit ebendiesem. Sollten dir deine Gedanken aufgrund ihrer großartigen Lernfähigkeit anbieten, das Wort zu analysieren und dir seine Bedeutung zu enthüllen, dann sag deinen Gedanken, dass du es so behalten möchtest, wie es ist … Es geht nicht um Analyse oder Erhellung … Denn niemand vermag Gott wirklich zu durchdenken. Daher ist es mein Wunsch, alles aufzugeben, was ich darüber denken kann, und mich für die Liebe zu entscheiden, die man nicht denken kann. Gott lässt sich lieben, aber nicht denken. Mit der Liebe vermag man ihn zu erfassen und zu umfangen, aber nicht mittels Gedanken.
    Ich liege in meinem Arbeitszimmer auf dem Rücken am Boden.
    Denn niemand vermag Gott wirklich zu durchdenken. Mit der Liebe versucht man ihn zu erfassen und zu umfangen.
    Mir ist klar, dass eine solche Krise von einem nicht einmal erwartet, an Gott zu denken. Wie man Schriftstellern manchmal
rät, geht es darum, über das Nachdenken hinauszukommen. An einen Ort des Vergessens nämlich. Vielleicht sogar noch über das Erschaffen, Empfangen und Anpassen hinaus. Vielleicht verlangt diese Art von Krise vom Individuum, von meinem Mann und mir, dass wir alles ablegen bis zum bloßen Kern unseres Wesens. An einen Ort, an dem es nur noch das Schlagen des Herzens gibt. Und das Atmen. Getragen von Liebe.
    Ich lese es noch einmal.
    Und dann mache ich es. Einfach … atmen.

Rilkes Welt und Rumis Feld
    Ein, zwei Stunden, bevor wir in die Gärtnerei aufbrechen. Noch ein Becher Tee.

    Obwohl ich grundsätzlich versuche, nicht zu sehr in der Vergangenheit zu leben, scheint es mir gerade jetzt wichtig zurückzublicken. Auf unsere Anfänge. Das hilft mir, eine Vorstellung davon zu bekommen, was jetzt vor uns liegt.
    Dieses Zitat wurde bei unserer Hochzeit vorgetragen:
    Liebe ist zunächst nichts, was aufgehen, hingeben und sich mit einem Zweiten vereinen heißt (denn was wäre eine Vereinigung von Ungeklärtem und Unfertigem, noch Ungeordnetem …?), es ist ein erhabener Anlass für den Einzelnen, zu reifen, in sich etwas zu werden, Welt zu werden, Welt zu werden für sich um eines anderen willen, es ist ein großer, unbescheidener Anspruch an ihn, etwas, was ihn auserwählt und zu Weitem beruft. Ref 3
    Rilke, noch einmal
    Auch wenn wir vor dem Altar der Episkopalen Kirche in dem Vorort von Chicago standen, in der ich getauft und konfirmiert
worden war und im Chor gesungen hatte – ich im Hochzeitskleid meiner Mutter, er in einem schwarzen Cut, umgeben von gut vierhundert Gästen am regnerischsten Tag, seit ich mich erinnern kann (Regen und Hochzeit: viel Glück. Messer und Hochzeit: viel Pech. Ich finde, es sollte umgekehrt sein) … und auch wenn uns danach auf dem Empfang im Country Club ein dreizehnköpfiges Swing-Orchester erwartete – und zwar in dem Country Club, in dem F. Scott Fitzgerald angeblich die Inspiration zu seiner Daisy in Der Große Gatsby bekam … und auch wenn wir dort händchenhaltend einander über lavendelfarbene Rosen hinweg in die Augen sahen und wussten, dass wir unsere Eltern in jenem Moment unseres Lebens überaus glücklich machten … da wussten wir doch verdammt genau, dass wir in Wirklichkeit eigentlich Komplizen waren.
    Na gut, vielleicht nur sanfte Rebellen gegen die Institutionen, denn schließlich haben wir uns nach gemeinsamen sechs Jahren der Institution Ehe gebeugt. Wir wagten, unser Temperament von ihr dämpfen zu lassen. Obwohl wir nichts so liebten wie dieses Temperament. Bei jedem Satz des Eheversprechens war das unser privater Subtext. Wir hatten ein Lieblingszitat: »Jenseits von richtig und falsch liegt ein Feld. Dort treffen wir uns.« Rumi, der islamische Mystiker, war unser heimlicher Zeremonienmeister, dort am Altar, an jenem verregneten Tag. Auf Rumis Feld waren die Regeln der Institutionen nur noch Pfützen, in denen sich die Sommerwolken spiegelten – Pfützen, durch die wir Hand in Hand platschend rannten.
    »Warum brauchen wir die Institution Ehe dann überhaupt?«, fragten wir uns. Unsere Antwort lautete: Am Ende des Tages wäre es schön, hineinzugehen, sich abzutrocknen, die Jacke in einer vertrauten Umgebung aufzuhängen. Sicher.
Traditionell. Wir sagten nie, dass wir etwas gegen Tradition hätten. Nicht, wenn es um Familie ging.
    Wir hatten selbst in
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