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Ein Sommer mit Danica

Ein Sommer mit Danica

Titel: Ein Sommer mit Danica
Autoren: Heinz G. Konsalik
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machen.
    Aber dazu kam es nicht. Statt Vicivic flog der feine Herr gegen die Theke, ächzte tief und starrte mit glasigen Augen um sich.
    »Ich war Judomeister in Belgrad«, sagte Dr. Vicivic und hob drohend den Zeigefinger, als der zweite Herr aus Köln sich ihm zuwandte. »Corell, ich hätte Sie nicht für so geschmacklos gehalten, sich Gorillas mitzubringen.«
    »Ehrenwort – ich kenne die Männer nicht.« Corell trat an den auf dem Boden Liegenden heran und half ihm wieder auf die Beine. Vicivic mußte einen ganz gemeinen Griff angewandt haben, denn der Mann stand schräg und verzog den Mund vor Schmerzen. »Wo kommen Sie her?« schrie Corell ihn an. »Was wollen Sie hier?«
    »Wir sind ihre Engelchen«, sagte der Mann. »Aber es wird immer schwerer, gute Taten zu vollbringen …«
    »Also doch!« sagte Vicivic abfällig. »Sie Lügner, Corell!«
    »Ich habe keine Ahnung. Ich habe die Männer nie in meinem Leben gesehen. Aus Frankfurt sind sie nicht.«
    »Aus Köln«, sagte der Mann, der bei Robic stand. Er hatte plötzlich ein Klappmesser in der Hand. »Wer mir zu nah kommt, lernt quieken!«
    Corell ahnte plötzlich die Zusammenhänge. Er wandte sich zu Dr. Vicivic, der an einem kleinen Nebentisch stand und seine Arzttasche auspackte. Robic hatte sich an der Thekenkante hochgezogen und schwankte etwas. Der gemeine Nackenschlag saß noch in ihm und lähmte seine Nerven.
    »Nur weiter …«, stammelte er. »Nur weiter, Sascha … töte mich ganz! Ich sage dir nie, wo Danica ist …«
    Corell schüttelte den Kopf und wandte sich an Dr. Vicivic.
    »Schaffen Sie hier Ordnung, Vicivic«, sagte er. »Versuchen Sie Petar zu erklären, was Liebe ist … wenn Sie es können. Ich brauche euch alle nicht, um Danica zu finden.« Er verließ den Laden und hörte auf der Straße, wie Robic hinter ihm herbrüllte. »Haltet ihn auf! Bei allen mir bekannten Heiligen, haltet ihn auf! Er darf sie nicht sehen!« Dann gab es neues Getümmel im Laden, man schien sich wieder zu prügeln, und Corell lief über den Tartiniplatz zur Milizstation.
    Duschan Dravic saß um diese Zeit in seinem Zimmer, rauchte eine Zigarre, las in der Zeitung, was so alles in der Welt passierte und verglich das alles philosophisch mit der Ruhe von Piran. Er kam zu dem Ergebnis, daß Piran zwar nicht der eleganteste Platz der Welt, wohl aber einer der sichersten war. Hier konnte man leben ohne die Sorge, daß jemand einem den Sitz unterm Hintern wegstahl.
    Das Erscheinen Corells in der Amtsstube allerdings bewies ihm sofort, daß auch Piran seine Probleme hatte. Er sprang auf, ordnete seine Uniform, reckte sich zu seiner imponierenden Größe auf und stemmte die Fäuste auf den Tisch. »Aha!« brüllte er. Die Scheiben klirrten leise. Wir alle wissen, wie Dravic brüllen kann, allerdings nur im Dienst. »Wollen Sie sich stellen wegen Mißhandlungen an einem Bürger der sozialistischen Republiken Jugoslawiens? Wegen Mädchenmißhandlung?«
    »Ich will wissen, wo Danica jetzt ist, Duschan …«, sagte Corell und atmete tief durch. »Duschan … ich liebe sie …«
    Dravic dachte an seine Frau und setzte sich. Mitleid überkam ihn. »Sascha, überlegen Sie es sich«, sagte er mahnend. »Laufen Sie keinem Weib hinterher! Liebe! Was ist Liebe? Wenn man jung ist, zerreißt man damit unter sich die Betten – später möchte man sich selbst zerreißen vor soviel Blödheit.«
    »Ich bin über fünfzig, Duschan.«
    »Aber sie ist dreiundzwanzig! Auf dem besten Wege, ein Teufelchen zu werden. Sascha, jedes Weib ist ein Teufelchen! Was willst du mit Danica? Willst du ihr sagen: Ich bereue alles.«
    »Ja.«
    Duschan starrte an die Decke seines Amtszimmers. »Ich würde es nie bereuen, meinem Satan eins vor den Kopf gegeben zu haben. Aber wer schafft das?« – Er sah Corell wieder mitleidvoll an. »Du willst Danica anflehen, dir zu verzeihen?«
    »Ja. Duschan, wo ist sie?«
    »Weißt du, welch großer Idiot du bist? Ein Weib anflehen …«
    »Ich weiß es. Ich bin der größte Idiot auf dieser Welt … aber wo ist Danica?«
    »Sie wird dich knechten, dich springen lassen, auf den zarten Fingerchen wird sie pfeifen: He, Sascha, hol das … hei, Sascha, bring jenes … hop, Sascha, trag das weg … juphei, Sascha, lauf und besorge … Ein ganzes Leben lang. Welche Höllenqual! Und das nennt man Liebe? Flüchte, Sascha, flüchte! Ich verletze meine Amtspflicht und habe dich nicht gesehen. Ich kann es verantworten: Es ist vornehmste Aufgabe der Polizei, Menschen zu retten.
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