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Ein Sommer mit Danica

Ein Sommer mit Danica

Titel: Ein Sommer mit Danica
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nach Ljubljana flog um 14.15 Uhr. Sie war nur schwach besetzt – wer flog Mitte Dezember nach Jugoslawien außer Geschäftsreisenden? Corell setzte sich nahe dem Durchgang zur Bordküche ans Fenster, bekam eine Zeitung von der freundlichen Stewardeß und begann zu lesen.
    Zwei Reihen hinter ihm saßen zwei elegante Herren mit Schweinslederköfferchen. Corell kannte sie nicht … der ›Lord‹ hatte sie aus Köln ausgeliehen. Zwei ehrenwerte Herren, die dafür bürgten, daß Dr. Corell in Jugoslawien nicht neue Dummheiten machte und andererseits auch in keine Dummheiten hineingeriet.
    Wie wird sie reagieren, wenn ich plötzlich vor ihr stehe, dachte Corell, als sich die Maschine von der Betonstartbahn abhob und in den grauen Winterhimmel stieß. Sie wird vielleicht sagen: »Guten Tag, Sascha. Setz dich. Willst du ein Glas Tee?« Und es wird so sein, als sei nichts geschehen. Oder sie wird den nächsten Stuhl nehmen und nach ihm werfen. Wird sich auf ihn stürzen und ihn mit den Fäusten bearbeiten, bis sie erschöpft ist und weinend die Arme um seinen Hals legt.
    Wie es auch sein würde … er nahm sich vor, alles auszuhalten. Er wollte zurückkommen wie der verfluchteste Büßer … und doch wie der Stärkere von ihnen beiden.
    *
    In Piran, jetzt einer kalten, fast ausgestorbenen, von einem eisigen Wind durchfegten kleinen Stadt, begegnete Dr. Corell zuerst Dr. Vicivic.
    Vicivic verließ sein Haus auf dem Tartiniplatz, wo er einen Besuch gemacht hatte, und lief Corell, der aus seinem Mietwagen gesprungen war, genau in die Arme. »O Himmel hilf!« sagte Dr. Vicivic sarkastisch wie immer. »Ich habe nur meine kleine Tasche bei mir. Jetzt brauche ich aber den großen Verbandskasten. Sascha, ich nehme an, Sie wollen zu Robic.«
    »Ja.«
    »Ich habe nur zwei Mullbinden bei mir. Die werden nicht reichen. Warten Sie zehn Minuten … ich hole mein großes Unfallbesteck.«
    Corell lachte und hielt Vicivic fest, der sich mit dramatischem Schwung abwenden wollte.
    »Wo ist Danica, Vicivic?« Plötzlich wurde er sehr ernst. »Wie hat sie das überstanden? Sagen Sie nicht, Sie wüßten von nichts. Gerade Sie wissen alles. Wie ist Danica hier angekommen?«
    »Mit einem verbundenen Kopf und einer Stirnwunde. Gott sei Dank bleibt keine sichtbare Narbe zurück.« Vicivic lehnte sich an Corells Mietauto. »Sascha, der alte Robic war in Partisanenstimmung. Dravic mußte ihn vom Tartiniplatz holen und in der Polizeiwache arretieren, weil er sich hinstellte und alle deutschen Touristen anbrüllte: ›Schweine! Mein Töchterchen fast erschlagen! Meiner Danicanka den Kopf abreißen! Schweine!‹ Er war völlig von Sinnen. Ich habe ihm sechs Injektionen machen müssen, bis er halbwegs wieder zu Vernunft kam. Dann dämmerte er dahin, als sei er total verblödet. Erst seit zwei Wochen ist Petar wieder normal. Und da kommen jetzt Sie! Sascha, machen Sie kehrt … in Piran ist seit Jahrzehnten kein Mord passiert!«
    »Ich will Danica sprechen, Vicivic.«
    »Warum?«
    »Weil ich sie liebe! Ist das so abwegig?«
    »Bei euch beiden – ja! Eure Liebe ist ein Beweis, wie sich zwei Menschen lustvoll selbst zerfleischen können. Ich habe das nie für möglich gehalten – aber man kann sich selbst auffressen. Ihr beweist es.«
    »Ist Danica im Haus?«
    »Nein.« Vicivic stand so vor Corell, daß dieser nicht den Andenkenladen sehen konnte. Jetzt, im Winter, waren alle äußeren Aufbauten verschwunden … Robics Umsatz beschränkte sich auf Zeitungen, Papier, Schulhefte, Bücher, Filzpantoffeln und Geschirr. Es war wenig zu tun … meistens saß er herum, las in den Zeitungen oder hielt lange Gespräche, wenn Bekannte in den Laden kamen, um einen Bleistift zu kaufen. »Dann ist sie im Geschäft!«
    Corell wollte sich vom Wagen abstoßen, aber Vicivic drückte ihn wieder zurück.
    »Kollege –«, sagte er ganz offiziell. »In Piran, bei den Robics, ist endlich Ruhe eingekehrt. Es ist Winter, die Kälte friert alles ein, im nächsten Jahr beginnt das neue Blühen, und das ist gut so. Der Sommer mit Danica ist vorbei …«
    »Nicht für mich, Vicivic. Für mich nie!«
    »Auch für Sie, Corell. Warum einem Sommer nachlaufen, der nicht wiederkommt?«
    »Liebe, Vicivic, kann sogar die Jahreszeiten zurückdrehen.«
    »Vielleicht. Aber Danica hat es überwunden. Lassen Sie sie in Ruhe!«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Was?«
    »Daß Danica es überwunden hat. Sie sind der Hausarzt der Robics, und Sie mögen sie sehr gut kennen. Auch ich kenne viele meiner
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