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Ein Sommer mit Danica

Ein Sommer mit Danica

Titel: Ein Sommer mit Danica
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Heiliger?«
    »Sie können zu mir zu jeder Tages- und Nachtzeit kommen. Bis Danica zurückkommt, zehre ich an der Erinnerung. Sie reicht aus für viele Monate …«
    »Ich denke, Danica kommt nicht zurück?«
    »Bestimmt nicht.«
    »Sie hohler Schwätzer!« Dr. Willbourg schlug den Mantelkragen hoch. »Wer verloren hat, dem fällt es leicht, davon zu träumen, wie der Sieg gewesen wäre.« Er sprang die Treppen hinunter, immer zwei Stufen zusammen, jung und elastisch. Corell blickte ihm nach, beneidete ihn wieder um diese Jugend und nahm sich vor, dieses Treppenhinunterhüpfen zu üben.

35
    Am 10. Dezember schloß Dr. Corell seine Praxis für vier Tage. Der ›Lord‹ gab seine ›Genehmigung‹ dazu, wie er lachend versicherte, als Corell ihn anrief. Die letzten vier Wochen waren ein grandioser Erfolg des Arztes Dr. Corell gewesen. Er hatte über 1.000 Krankenscheine in seiner Kartei und einen Stamm von Privatpatienten, der seine Kollegen alarmierte.
    Es stimmte nicht, was Dr. Bernmeyer am Ärztestammtisch sagte, daß die herbstliche Grippewelle Corell zugearbeitet und ihm die Patienten scharenweise ins Haus gebracht habe. Die meisten Kranken waren keine Verschnupften, sondern echte, ernste Fälle, die bei den anderen Ärzten mit flotter Hand verarbeitet wurden, ihre Tabletten oder Injektionen erhielten und die tröstlichen Worte: »Es wird schon werden! Seh'n Sie, so ein Herz ist wie'n Motor. Wenn der mal über Jahrzehnte verschlissen ist, nützt der beste Monteur nichts mehr. Und Kolben auswechseln wie bei 'nem Motor, liebe gnädige Frau, das können wir noch nicht, haha.« Corell schlief nur noch vier Stunden in der Nacht, und manchmal kaum die. Es sprach sich herum: Dr. Corell ist immer da, wenn man ihn braucht. Er läßt nie fühlen, daß ihm das Bett lieber ist als ein kranker, hilferufender Patient. Ob Regen oder Hagel, Nebel oder Sturm … Corell kommt! Sein alter, klappriger Volkswagen kämpft sich durch alles durch.
    Was aber noch wichtiger war: In den Salons der Damen der Gesellschaft wurde der Name Corell wieder ein Geheimtip. Hier kam es weniger auf die Behandlung ernsthafter Krankheiten an, als auf die Seelenmassage. Corell konnte zuhören, geduldig, den Kopf etwas zur Seite geneigt, mit ›ergreifend verträumten Augen‹, wie es Frau Direktor Poschey ausdrückte, und dann sagte er ein paar Sätze, die tief in die Herzen eindrangen, und verdrängte Komplexe, die zu deutlichen Psychosen geworden waren, lösten sich auf wie Frühlingsschnee.
    »Wir kommen nicht umhin –«, sagte man auch bei einer Sitzung der Ärztekammer – »und werden Corells Antrag auf Einrichtung einer Privatklinik zustimmen müssen. Der nächste Schritt wird sein, diese Klinik als staatlich anerkannt durchzusetzen und damit die Krankenkassen zum Zahltisch zu bitten.«
    »Ohne uns!« sagte ein Vertreter der AOK nach der Sitzung. »Und die Ersatzkassen werden sich auch querlegen. Es liegt in Frankfurt bei den guten Universitätskliniken kein Bedürfnis vor, eine private Chirurgie zu unterstützen.«
    »Corell wird Beispiele aus München, Stuttgart, Köln und Hamburg anführen.«
    »Na und?« Der AOK-Vertreter lächelte maliziös. »Wir leben in einem Individualstaat. In Frankfurt ist die individuelle Lage eben anders als anderswo. Bitte um Gegenbeweise –« Die Ärzte lachten und waren zunächst beruhigt. So einfach bricht ein Corell nicht in die Mauer der Medizin ein – und wenn, dann kann er immer noch von den herausgebrochenen Stücken erschlagen werden.
    Corell ließ das alles kalt. Mit seinen Feinden wuchs auch der Kreis seiner heimlichen Freunde. Das ist eine merkwürdige Einrichtung in der menschlichen Gesellschaft: Die stillen Sympathisanten. Sie setzen nichts ein, sie wagen nichts, sie sind bloß voller versteckter Sympathie … aber sie sind sofort dabei, wenn ihr stiller Held gesiegt hat und ernten mit vollen Händen.
    Von diesen im Schatten Wartenden erfuhr Dr. Corell, daß die Ärztekammer den nie ganz verlorenen, aber immer strauchelnden Sohn wieder an ihre Brust drückte.
    »Jetzt hole ich Danica zurück!« sagte Corell zu dem ›Lord‹. »In vier Tagen bin ich wieder hier, oder …«
    »Oder, Doktor …?«
    »… ihr braucht mich nicht zu suchen.«
    Er legte auf, schlüpfte in seinen Mantel und fuhr hinaus zum Flughafen. Den alten VW ließ er auf dem riesigen Parkplatz stehen. Es war kein Risiko, ihn vier Tage allein zu lassen … dieses an allen Ecken rostende Auto stahl keiner mehr. Die Maschine der Swissaire
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