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Ein schmutziges Spiel

Ein schmutziges Spiel

Titel: Ein schmutziges Spiel
Autoren: Karen Keskinen
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ausgehalten … mich wundert, dass sie dem Täter nicht auf der Stelle den Hals umgedreht haben.«
    Ich zwang mich, die Fotos genauer zu betrachten. Lili Molinas schlanker, nackter Körper lag, alle Viere von sich gestreckt, geschändet und zerschlagen am Boden. Ihre hellbraune Haut wies ein bizarres Muster aus kreis- und gitterförmigen Schnittwunden auf, und man hatte ihr etwas, das aussah wie ein blutverkrustetes Büschel ihrer eigenen Haare, in den Mund gestopft. Und ihr zerschnittenes Gesicht … die Wunden waren so tief, dass Knorpel und Knochen zu sehen waren.
    Ich schaute hinauf zu den beiden höher an der Wand platzierten Fotos: Lilis Abschlussfoto, das ich in der Zeitung bereits gesehen hatte, und ein Bild, das sie in ihrem Kostüm als Göttin Daphne zeigte. »Sie war ein entzückendes Mädchen, nicht wahr, Mike? Nicht einfach nur schön – mehr als schön. Ihr freundliches Wesen war ihr anzusehen.«
    »Ja. Ich weiß, was du meinst.«
    Ich ermahnte mich, meine Gefühle im Zaum zu halten. »Also schön. Wer hat die Leiche entdeckt?«
    »Ein paar Mädchen aus der Gilde. Sie haben sich gestern Nachmittag hier reingeschlichen, um zu tun, was Fünfzehnjährige eben so tun. Hat sie halb um den Verstand gebracht – sie bekommen psychologische Hilfe. Die dürften von Doktorspielchen vorerst genug haben.«
    »Was, genau, haben sie gesehen?«
    »Danny Armenta, der in der Nähe der Leiche hockte und vor sich hin gemurmelt hat. Neben ihm lag ein Messer auf dem Boden. Der Bericht der Forensik ist noch nicht eingetroffen, aber es ist ziemlich sicher, dass es das Messer war, mit dem ihr diese Wunden beigebracht worden sind.«
    »Aber es ist nicht die Mordwaffe.« Ich zeigte auf eines der Fotos. »Da sind Strangulationsmale an ihrem Hals. Lili wurde mit irgendeiner Art von Schnur erdrosselt.«
    »Richtig. Die Stichwunden wurden ihr post mortem zugefügt – dafür sei Gott gedankt.« Anerkennend blickte er mich an. »Wir machen noch eine richtige Detektivin aus dir. Du hast ein gutes Auge.«
    Ich ignorierte das zweifelhafte Kompliment und sah mich im Raum um. »Bis auf die Leiche ist noch alles so, wie es war?«
    »Alles an seinem Platz. Du wirst nichts Neues entdecken, Jaymie. Die Detectives mögen alle ihre eigenen Ansichten haben, aber wenn es um Beweise geht, machen sie einfach ihre Arbeit.« Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich muss dir sagen, ich halte es für wahrscheinlich, dass der Junge der Täter ist. Ich meine, sieh dir nur an, wie irre der Mörder war – all diese eigenartigen Wunden, als hätte er eine Art Ritual durchgeführt.«
    »Ja, das ist ziemlich überzeugend.« Aber ich war nicht überzeugt. Ich ging in die Ecke hinüber, hockte mich auf den Boden und tastete mich durch die Gegenstände, die aus dem Behälter gefallen waren. Ich fand zwei Gürtel und eine Schärpe, aber nichts, das zu den Malen gepasst hätte, die auf dem Foto an Lilis Hals zu sehen waren. Ich sah mich zu Mike um. »Hat die Polizei die Mordwaffe gefunden?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein.«
    Als ich mich erhob, erregte eine Bewegung meine Aufmerksamkeit. Ein großer Junikäfer summte in der oberen Ecke des Fensterrahmens und wollte hinaus. Seine Deckflügel erzeugten ein rhythmisches Poch-poch auf der Glasscheibe.
    Ich trat zum Fenster. Typisch für diese Art von Industriegebäuden: drahtgitterverstärktes Milchglas in einem alten Brasilholzrahmen. »Das ist merkwürdig. Der Fenstersims wurde abgewischt.« Einen Moment sah ich den Bemühungen des Junikäfers zu.
    »Erklär mir was, Mike. Warum war Lili hier, wenn die Party doch noch im Gang war? Und wie ist sie vom Alameda Park aus hergekommen?«
    »Daran arbeiten die Kollegen noch. Sie wissen nicht, warum sie zurückgekommen ist. Aber so weit ist der Weg nicht – vielleicht sieben Blocks. Wahrscheinlich ist sie einfach zu Fuß gegangen.«
    »Jugendliche gehen heutzutage nicht mehr zu Fuß. Nicht, wenn man ihnen nicht mit einem Viehtreiber Beine macht.« Ich drehte mich wieder zum Fenster um, um mir Rahmen und Sims genauer anzusehen, ehe ich durch das schmutzige Glas hinaus in die asphaltierte Gasse blickte. »Wenn wir hier fertig sind, sehe ich mich draußen um.«
    »Klar.« Mike zuckte mit den Schultern. »Aber vergiss nicht, das Fenster war fest verschlossen, als die Mädchen reingekommen sind, und die Tür weit offen.«
    »Das Fenster war geschlossen …« Ich ging durch den Raum und blieb vor einer Nische stehen, in der sich ein etwa viereinhalb Meter
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