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Ein schmutziges Spiel

Ein schmutziges Spiel

Titel: Ein schmutziges Spiel
Autoren: Karen Keskinen
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Oder ist dir das etwa gar nicht aufgefallen?«
    »Nein, mir ist da gar nichts aufgefallen. Komm, wir schleichen uns an ihr vorbei und unterhalten uns in der Halle.«
    Ich folgte ihm in einen zwei Stockwerke hohen, offenen Raum, in dem in der hinteren Ecke ein mächtiger Festwagen stand. Im Raum verteilt standen mehrere Kartenspieltische, jeweils mit deutlichem Abstand zueinander. Polizisten in Zivil und ein paar in Uniform befragten Teenager. Ein halbes Dutzend anderer Jugendlicher lümmelte sich auf Klappstühlen und wartete darauf, ebenfalls an die Reihe zu kommen.
    Ich erhaschte einen Blick auf Deirdres blonden Lockenkopf und unterdrückte den Drang, hinüberzugehen und das Kewpie-Püppchen ein bisschen zu ärgern.
    »Die reden mit jedem einzelnen Jugendlichen, der in diesem Jahr an dem Umzug beteiligt war«, erzählte mir Mike, als wir den Raum durchquerten. »Und das schnell, ehe sie sich untereinander austauschen.«
    Wir erreichten einen dunklen, fensterlosen Korridor, der nach links aus der Halle führte und mit einem gelben Kunststoffband abgesperrt war.
    Mike blieb stehen und legte mir seine große Hand auf den Unterarm. »Du weißt, dass ich mit dir nicht darüber reden sollte.«
    »Ich weiß. Also nehme ich an, du hast einen Grund, es doch zu tun. Denselben Grund, aus dem du auch Gabi Gutierrez an mich verwiesen hast. Denselben Grund, warum du heute hier bist, wenn ich raten soll.«
    »Ja, na ja.« Er runzelte die Stirn. »Ich habe ein paar Freunde im Police Department. Was ich von denen zu hören bekomme … es gefällt mir nicht, das ist alles. Sagen wir es so: Die Oberen haben sich bereits eine Meinung gebildet.«
    »Aha. Die Räder der Justiz drehen sich also ein bisschen zu schnell. Und du willst … einen Stock zwischen die Speichen werfen.« Ich lächelte süßlich. »Und der Stock bin ich.«
    Mike grinste. »Dein Dickkopf hält das aus.«
    Ich hätte kontern können, aber meine Gedanken rasten bereits davon.
    Ich kannte Mike ziemlich gut, und ich wusste, er war nicht der Typ, der Staub aufwirbelte, es sei denn, er hatte einen guten Grund dazu. Es ging mich nichts an … aber jetzt war ich wirklich neugierig auf den Fall.
    »Mike? Ich würde gern den Tatort sehen.«
    »Das geht zu weit, das weißt du.« Er bedachte mich mit einem langen, stieren Blick. »Aber ich nehme an, es dient der guten Sache. Und ich möchte wissen, was du darüber denkst.«
    »Wunderbar«, entgegnete ich strahlend.
    Mike zuckte mit den Schultern. »Mein Hals steckt sowieso schon in der Schlinge. Da kann ich mich auch gleich ganz aufhängen.« Er löste das gelbe Band ab, und wir gingen in den Korridor.
    Ich folgte ihm den engen Gang hinunter. »Ist die Leiche weg?«, fragte ich seine Kehrseite.
    »Die ist weg, richtig. Die Cops haben sie sofort weggebracht. Nicht gerade vorschriftsmäßig, und Deirdre ist ziemlich angepisst. Aber wenn du dir die Fotos ansiehst, verstehst du, warum sie es getan haben.«
    Chaos und Gewalt waren von dem Moment an offenkundig, in dem wir die Garderobe betraten. Ich blieb gleich jenseits der Tür stehen und ließ die Szene auf mich wirken.
    Ein dreiteiliger Paravent lag flach auf dem Boden, ein alter Bugholzstuhl war umgekippt. In der Ecke lag ein runder Behälter auf der Seite, und sein Inhalt – alte Hüte, Handtaschen, Theaterrequisiten – verteilte sich um ihn herum. Überall auf dem schartigen, grauen Beton lagen Kleidungsstücke: ein perlmutt-rosafarbener BH und der passende Slip, hübsche Jeans und ein limonengrünes Oberteil, braune, zu einem Kostüm gehörende Handschuhe mit laubgrünen Fingern und einige Lagen silbernen Netzstoffs. Jedes einzelne Stück war entweder aufgeschlitzt oder zerrissen.
    Das einzige Fenster war fest geschlossen, und der Raum beengend. Ein unangenehmer Geruch hing in der Luft – süßlich, Übelkeit erregend. Blutspritzer, in der sommerlichen Hitze bereits angetrocknet und rostrot, breiteten sich wie der Heiligenschein eines Engels um den Kreideumriss eines Kopfes herum aus.
    Ich wandte mich zwei Reihen Fotos zu, die mit blauem Kreppband an die Wand geklebt worden waren. »Lieber Gott …« Ich schlug eine Hand vor den Mund.
    »Scheußlich, nicht wahr? Das ist der Grund, warum die ersten Einsatzkräfte vor Ort mit dem Abtransport nicht gewartet haben. Einer der Cops kennt die Mutter des Opfers, und er wollte nicht, dass sie ihre Tochter so sieht. Kann man ihnen das wirklich vorwerfen? In Wahrheit, glaube ich, haben die Jungs es selbst nicht
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