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Ein schmutziges Spiel

Ein schmutziges Spiel

Titel: Ein schmutziges Spiel
Autoren: Karen Keskinen
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langer Kleiderständer befand. Der Kleiderständer, im Grunde nur eine dicke Stange, die sich von einem Ende zum anderen zog und an drei Stellen gestützt wurde, war vollgestopft mit Kostümen, die über ihre Bügel wucherten. »Sieht aus, als hätte die Gilde nicht genug Lagerplatz.«
    »Der ist schon länger knapp«, sagte Mike. »Während der letzten paar Jahre haben sie die neuen Paradekostüme in einem Schrank draußen im Büro des Managers aufbewahrt. Diese Kostüme werden nicht mehr benutzt, die sind alt. Und ich meine echt alt. Die Apollogilde gab es schon lange bevor in der ganzen Stadt die Sonnenwende gefeiert wurde. Seit den Dreißigerjahren, um genau zu sein.«
    »Echt?« Ich trat näher an die Nische heran und atmete einen modrigen, abgestandenen Geruch ein. »Und was war die Apollogilde ursprünglich? Eine Art privater Club?«
    »Das war sie, und das ist sie noch. Privat und nicht für jedermann. Nur für sehr reiche Leute. Und auch nur für Männer, heute noch. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Gilde auch zu einer Wohltätigkeitseinrichtung entwickelt. So haben die Reichen die Möglichkeit bekommen, benachteiligten ortsansässigen Kindern zu helfen. Hat wohl dazu gedient, die Mitglieder in der Öffentlichkeit besser dastehen zu lassen. Als die Stadt angefangen hat, ihre eigene Sonnenwendfeier auszurichten, war die Gilde sofort mit einem selbst finanzierten Festwagen dabei.«
    »Hm. Hast du eine Taschenlampe?«
    Mike griff in seine Windjacke und zog eine silberne Stiftlampe hervor. »Ich dachte, du willst nichts damit zu tun haben?«
    »Ich bin nur ein bisschen neugierig.« Ich duckte mich unter den Kleidern an einem Ende des Kleiderständers hindurch und quetschte mich Schritt um Schritt seitwärts voran. Dabei richtete ich den hellen Lichtschein unentwegt auf die Kleiderstange. Meine Nase war bald voller Staub, vermengt mit dem Gestank von altem Schweiß und abgestandenem Parfüm. Nachdem ich zwei Drittel des Weges hinter mir hatte, hielt ich inne. »Genau hier, Mike. Kein Staub.«
    »Was?« Er ging zu der Nische. »Soweit ich weiß, hat davon niemand etwas gesagt.«
    »Vielleicht hat niemand nachgesehen. Aber das ist die Stelle: Ich stehe genau da, wo Lilis Mörder auf sie gewartet hat.«
    »Auf sie gewartet? Aber Danny Armenta …«
    »Keine voreiligen Schlüsse, okay? Wenn ich die Kostüme ein wenig zur Seite schiebe, kann ich in die Garderobe sehen. Und nicht nur in den Raum selbst. Mike, geh zu der Stelle, an der der Paravent gestanden hat. Du kannst die ursprüngliche Position der alten Eisenfüße an den Rostflecken am Boden erkennen.«
    »Aber, wie gesagt …«
    »Okay, bleib stehen. Ich kann dich sehen. Von hier aus könnte ich dir beim Ausziehen zuschauen.«
    »Michael, was machst du hier?«, kreischte eine Stimme, schrill wie eine Möwe, zur Tür herein.
    Michael? Örx! Die extrem hohe Stimme bereitete mir Zahnschmerzen.
    »Hey, Deirdre«, murmelte Mike. »Wir waren gerade, äh …«
    »Wir? Ich sehe hier nur dich, Michael.«
    Ich hielt es nicht länger aus, also duckte ich mich unter den Kostümen hindurch und kehrte zurück in den Raum. »Ta-da!«
    Deirdre Krauses trotziges Babygesicht legte die Stirn in Falten. »Zarlin? Was zum Teufel haben Sie an meinem Tatort zu suchen?«
    Ihr Tatort? »Ich schaue mich nur um.«
    »Schön, und jetzt können Sie machen, dass Sie hier wegkommen. Dafür könnte ich Sie festnehmen.« Sie zog eine brutal gezupfte Braue hoch und schaute sich zu Mike um. »Du versetzt mich in Erstaunen, Michael.«
    Meine Haut kribbelte. »Hören Sie, Krause …«
    »Jaymie ist auf meinen Wunsch hier, Deirdre. Sie ist …« Er sah sich zu mir um und traf eine Entscheidung. »Sie ermittelt im Auftrag von Danny Armentas Familie in dem Fall.«
    »Was sonst.« Deirdre Krause lachte trällernd. »Jaymie Zarlin, Schutzheilige der Geisteskranken.«
    »Das war unnötig«, entgegnete Mike leise.
    Ich klappte den Mund zu und ermahnte mich, nicht an meinen Bruder zu denken. Stattdessen starrte ich die Frau nieder. Sie war, theoretisch, recht niedlich mit diesem Gesicht, das an ein dreijähriges Engelchen erinnerte, aber im Moment sah sie aus wie der Teufel selbst.
    »Die braucht keinen Fürsprecher, Michael. Ich würde mir die Mühe sparen.« Deirdres Stimme troff nur so vor Saccharin, etwa so wie die Fangzähne einer Klapperschlange vor Gift triefen, ehe sie zuschlägt. »Komm in fünf Minuten zu mir, dann holen wir uns einen Kaffee. Das Sheriffsbüro ist zwar für den Fall
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