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Ein schmutziges Spiel

Ein schmutziges Spiel

Titel: Ein schmutziges Spiel
Autoren: Karen Keskinen
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in ihre Augen. »Sie brauchen eine PA . Falls Sie es nicht wissen, das steht für ›Persönliche Assistentin‹. Jemand, der ans Telefon geht, die Bücher führt, neue Klienten in Empfang nimmt, ihren Schreibtisch in Ordnung hält. Die meisten PA s werden weder abstauben noch staubsaugen noch Kaffee kochen, aber das übernehme ich auch noch.« Das Funkeln wurde stärker. »Wenn Sie mich als Ihre PA akzeptieren, müssen Sie gar nicht mehr hier draußen sein. Sie können sich einfach an den Tisch mit den vielen Kaffeeringen in der Küche setzen. Sehen Sie? Ich dachte mir schon, dass Ihnen das viel besser gefällt.«
    Ich konnte nicht anders, ich brach in Gelächter aus.
    »Okay. Ich sage meiner Schwester, Sie hätten sich schon fast dazu durchgerungen, es zu tun. Dann fühlt sie sich besser, verstehen Sie?«
    »Sie sind eine gute Tante und eine gute Schwester, Gabi. Das bewundere ich.«
    »Nicht gut. Nur … durchschnittlich. Wollen Sie die Wahrheit wissen? Ich bin sogar nicht mal durchschnittlich.«
    Gabi eilte die Straße hinunter zu ihrem Wagen. Sie war spät dran für ihren nächsten Job. Und Mrs Talcott konnte Unpünktlichkeit nicht ausstehen.
    Was Miss Jaymie über sie gesagt hatte, dass sie eine gute Schwester und Tante wäre, ließ ihr vor Scham die Haare zu Berge stehen. Sie fühlte sich schlecht, wenn sie für etwas gelobt wurde, was sie nicht war.
    Gabi hatte ein Geheimnis: Sie hatte Angst vor verrückten Menschen. Wenn sie sah, dass sich jemand seltsam verhielt, selbst wenn er noch einen Block entfernt war, wechselte sie die Straßenseite.
    Vor eineinhalb Jahren, als Danny krank geworden war … tja. Sie hatte Alma und die Kinder gebeten, auszuziehen. Danny war in Ordnung. Er hatte nie jemanden bedroht oder dergleichen. Aber er war so seltsam, führte Selbstgespräche und sah irgendwelche Dinge in Spiegeln. Sie hatte Angst, in seiner Nähe zu sein. Also hatte sie Alma erzählt, der Hausmeister hätte sich beschwert, es würden zu viele Leute in der Wohnung leben. Aber das war eine fette Lüge gewesen.
    Schande. Schande über niemand anderen als sie selbst.
    Miss Jaymie anzuheuern – selbst wenn das bedeutete, dass sie achtzig Stunden in der Woche würde arbeiten müssen – war das Mindeste, was sie tun konnte.
    Die Sonne sank im Westen dem Horizont entgegen und bereitete sich darauf vor, den Himmel in die Gelb- und Orangetöne der Siebziger zu tauchen, als ich zu dem alten VW -Bus auf dem Parkplatz am Strand radelte. Das Fahrzeug war bedeckt von etwas, das bei beiläufiger Betrachtung vielleicht aussehen mochte wie Graffiti. Für die Eingeweihten jedoch begann an der Fahrertür eine große, amerikanische Geschichte, die sich über die Seite und das Heck bis zur Beifahrertür zog.
    Ich ging zu der offenen Heckscheibe. Das Innere verbarg sich hinter einer ausgefransten indianischen Decke, die als Vorhang diente. Die Seebrise zupfte an dem alten Stoff.
    »Charlie?« Ich klopfte an die Karosserie des alten Hippiebusses. »Ich bin’s, Jaymie.«
    »Natürlich«, antwortete eine Stimme, der vernarbte Stimmbänder einen rauen Klang verliehen. »Wir freuen uns, dich zu sehen, Jaymie-Mädchen. Lange her, was?«
    »Komm schon, so lange nun auch nicht. Vielleicht zehn Tage. Manchmal brauche ich eben auch ein bisschen Zeit, um allein zu denken, weißt du?«
    »Ach, Annie und ich wissen, dass du das oft tust.« Die Stimme erging sich in einem Anfall erstickten Gegackers. »Nimm den Klappstuhl vom Haken, Jaymie … bleib ein bisschen.«
    »In Ordnung. Und das ist für dich.« Ich öffnete meinen Rucksack, nahm eine kleine Tüte Bonbons heraus und hielt sie vor das Fenster. Eine von Brandnarben gezeichnete Hand griff um den Vorhang herum und nahm mir die Tüte ab. Ich hörte, wie die Packung aufgerissen wurde, dann hörte das Husten auf, und ich vernahm einen verschleimten Seufzer.
    »Andornbonbons, Gott segne dich. Annie und ich, wir mögen die alten Heilmittel.«
    Annie war, zu ihrem Glück, vor sieben Jahren in dem Feuer gestorben, das Charlie so schlimm entstellt hatte. Mike hatte mir die entsetzliche Geschichte erzählt: Ein defekter Campingkocher hatte ihr Zelt entzündet, als sie geschlafen hatten.
    »Danke für den Segen, Charlie. Weiß Gott, ich kann ihn brauchen.«
    »Tässchen Teer? Hab massenweise Zucker zum Verschneiden da.«
    »Nein, danke.«
    »Dein Freund, dieser Cowboy, war kürzlich hier. Netter Kerl für einen Bullen.«
    »Ich habe keinen Freund. Du wirst es als Erster erfahren, wenn sich daran
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