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Ein schmutziges Spiel

Ein schmutziges Spiel

Titel: Ein schmutziges Spiel
Autoren: Karen Keskinen
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was ändert.«
    »Ach was, du hast einen. Ob dir das gefällt oder nicht, du hast einen.«
    Ich verschränkte die Arme vor der Brust und bemühte mich um eine neutrale Miene. Ich wusste nicht, ob Charlie mich durch den fadenscheinigen Stoff sehen konnte. Ich konnte ihn nicht sehen. Hatte ich, um genau zu sein, noch nie, obwohl ich ihm das erste Mal vor beinahe drei Jahren begegnet war, als ich in die Stadt gekommen war, um nach Brodie zu suchen. Charlie blieb den ganzen Tag in seinem Bulli und fuhr jeden Abend nach Sonnenuntergang raus aus der Stadt, um in irgendeiner Auffahrt oder auf einem ungenutzten Grundstück zu parken.
    »Ich bin nicht hier, um mit dir darüber zu streiten, ob ich einen Freund habe oder nicht, Charlie. Ich wollte über etwas anderes mit dir sprechen.«
    »Dachte ich mir. Hör mal, wie wäre es, wenn du dich auf den Beifahrersitz setzt? Das ist Annies Platz, weißt du?«
    »Wäre mir eine Ehre.« Ich öffnete die verrostete alte Tür und kletterte hinein. Der Vordersitz war vom hinteren Teil des Fahrzeugs durch eine weitere Decke aus den Sechzigern getrennt. Ich blickte nach vorn und studierte das Armaturenbrett, das mit Muscheln, getrockneten Seesternen und Meerglas gepflastert war. Da gab es sogar einen Rest einer alten, sonnengebleichten Plastikgabel, in deren Zinken irgendeine Art getrockneten Seegrases hing. Die Geschichte auf der Außenseite war Charlies Werk, aber ich wusste, dass das Armaturenbrett Annies Kreation war.
    »Leg los«, hustete Charlie hinter mir.
    »Okay. Hast du von dem Mädchen gehört, das nach dem Sonnenwendumzug ermordet wurde?«
    »Hab ich gehört. Sie haben einen Jungen dafür verhaftet, einen Jungen, der im Kopf ein bisschen anders ist.«
    Ich nickte. »So, wie Brodie anders war.«
    »Dein Bruder war ein netter Strandjunge und ein erstklassiger Surfer. Was ihm zugestoßen ist, war ein Verbrechen.«
    »Ja. Und was mit diesem Jungen passiert, ist auch kriminell. Die Bullen haben längst beschlossen, dass er schuldig ist, aber ich wäre mir da nicht so sicher.«
    »Haben ihn schon geteert und gefedert, was?«
    »Du hast es erfasst. Die Sache ist die, seine Familie will, dass ich ihm helfe. Ich habe versucht, ihnen klarzumachen, dass ich mich mit so was nicht auskenne. Denn wenn ich mich da einmische und Mist baue – du verstehst mich doch, oder? Das kann ich mir einfach nicht auf mein Gewissen laden.«
    »Aber andererseits, vermute ich mal, wer sollte es sonst tun?«
    »Ja, unbestreitbar.« Ich strich mit dem Finger über die raue Oberfläche eines Seesterns. »Weißt du was? Ich brauche Urlaub. Hawaii, Big Island …«
    »Dafür ist später noch jede Menge Zeit. Jede Menge Zeit für dich und den Cowboy, um in den Sonnenuntergang zu reiten. Im Augenblick, schätze ich, weißt du genau, was du zu tun hast.«
    Stille trat ein. Dann hörte ich das Knistern eines weiteren Andornbonbonpapiers. Ich sah dem Tanz der funkelnden Wellen zu, die von der tief stehenden Sonne golden gefärbt waren.
    »Charlie«, sagte ich nach einer Weile, »kann ich mit einer Heißklebepistole wiederkommen und ein paar von diesen Schätzen wieder festmachen? Meinst du, Annie wäre einverstanden?«
    »Annie wird das mächtig gefallen. Außerdem wird sie sagen, dass du die Antworten auf deine Fragen schon gekannt hast. Und sie wird mit größter Wahrscheinlichkeit sagen, dass du auch die Antwort auf die Freundfrage schon kennst.«

Kapitel Vier
    Als ich an der Küste entlang nach Hause fuhr, dachte ich über Charlies Rat nach. Einheimische und Touristen vermischten sich am Leadbetter Beach, drängelten sich unter bunten Schirmen oder hechteten im Schutz der bogenförmig verlaufenden Sandsteinklippen hinter Frisbees oder Whifflebällen her. Gleich vor der Küste standen mehrere Leute aufrecht auf ihren Paddleboards und sahen aus, als würden sie über das Wasser schreiten.
    Ich kam nach Loma Alta, überquerte den Cliff Drive und bog in die Vista del Mar, wo ich, als die Straße zu steil wurde, abstieg. Die Sonne hatte den ganzen Tag auf das Ufer herabgebrannt, und nun war die Luft gesättigt mit dem süßen, harzigen Geruch von Sonnenröschen und Salbei. Als ich links abbog und mein Rad die El Balcón hinaufschob, verdeckte der Hügel die Sonne, und die Straße lag im tiefen Schat ten.
    Pfotengetrappel näherte sich von hinten. Ich drehte mich um, aber erst, als bereits ein dreifarbiges Etwas an meiner Achillessehne nagte.
    »Gottverdammter Hund! Du hast Glück, dass ich Socken trage!« Gegen
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