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Ein perfektes Leben

Ein perfektes Leben

Titel: Ein perfektes Leben
Autoren: Leonardo Padura
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Fällen ist die Überzeugung allmählich entstanden. Es hat mich einiges gekostet, mich selbst davon zu überzeugen, dass ich ein Schriftsteller bin. Aber es gab Momente, Ereignisse und Entscheidungen, die mich Stück für Stück näher an die Literatur gebracht haben. Der erste war vielleicht in der Oberstufe, als ich anfing, die Bücher, die im Literaturprogramm vorgesehen waren, ganz zu lesen, anstatt ausschließlich die Heftchen mit dem Titel »Der Autor und sein Werk«. Danach kam die Entscheidung, Literatur an der Universität zu studieren, und ich glaube, dass dies ein zweiter Schritt war, er geschah quasi gleichzeitig mit der Erkenntnis, dass ich als Baseballspieler keine Zukunft haben würde. Außerdem wollte ich wie meine Studienkollegen anfangen zu schreiben: reine Konkurrenz und Eigensinn. Am Ende kamen einige schreckliche Erzählungen heraus und verschiedene Reportagen, die ich in Zeitschriften publizieren konnte. Als ich schon für El Caimán Barbudo arbeitete, las ich Frühstück bei Tiffany von Truman Capote, und es gefiel mir so sehr, wirklich so sehr, dass ich beschloss, so einen Roman zu schreiben. Das Ergebnis ist Fiebre de caballos. Als ich das beendet hatte, fühlte ich, dass ich mehr oder weniger so etwas wie ein Schriftsteller war.
     
    Hattest du nie Interesse an einer akademischen Karriere? Dich professionell der Erforschung und der Lehre der Literatur zu widmen?
     
    Die Wahrheit ist: Nein. Es macht mir keinen Spaß, Lehrer zu sein, unter anderem, weil ich kein gutes Gedächtnis habe und auch kein guter Redner bin. Was die Forschung betrifft, habe ich immer die Freiheit vorgezogen, meine eigenen Interessen zu verfolgen, was an der Universität unmöglich ist.
     
    In anderen Interviews hat man viel über deine journalistische Arbeit beim Caimán Barbudo, bei der Juventud Rebelde und La Gaceta de Cuba gesprochen. Trotzdem möchte ich gerne fragen, was jede einzelne Zeitung oder Zeitschrift zu deiner Ausbildung beigetragen hat, und ob es eine gibt, bei der du gerne geblieben wärst.
     
    Als ich Anfang der Achtzigerjahre für den Caimán gearbeitet habe, dachte ich, das ist das Paradies und dass ich noch für diese Zeitung schreibe, wenn ich in Rente gehe. Ich hatte gute Kollegen, hatte Zeit, ein wenig Literatur zu schreiben und genoss den Einfluss, den der Caimán seinerzeit hatte. Außerdem lernte ich in kürzester Zeit fast alle Schriftsteller, Maler und Theaterleute Kubas kennen. Aber die Wahrheit ist, dass in diesem Paradies fast alles verboten war, man arbeitete dort ständig unter Spannung, unter dem Druck der politischen, ideologischen bis hin zur polizeilichen Zensur. 1983 zeigte man mir die rote Karte, und ich wurde zur Juventud Rebelde strafversetzt, mit dem Etikett »ideologische Probleme«. Aber die mich bestrafen wollten, taten mir den größten Gefallen meines Lebens: Sie zwangen mich dazu, journalistisches Schreiben zu lernen – ich hatte keinerlei Ahnung vom Journalismus. Ich lernte es so schnell, dass ich nach weniger als sechs Monaten schon zur »Spezialgruppe« am Sonntag gehörte, wo ich lange Reportagen machte und schreiben konnte – das musst du mir glauben –, was ich wollte. Hier begann ein äußerst wichtiger Moment meiner Ausbildung. Während ich das Land kennen lernte, seine Geschichte und seine vergessenen Persönlichkeiten erforschte, indem ich mich in die verstaubten Ecken der Erinnerung begab – das chinesische Viertel, Yarini, Angerona, die Geschichte von Bacardi, die von der Jungfrau de la Caridad del Cobre –, lernte ich, wie ein Schriftsteller zu schreiben, denn ich machte das Experiment, publizistische wie literarische Texte zu verfassen.
     
    Gehörst du zu jenen Autoren, die an Inspiration glauben? Musst du motiviert sein, um zu schreiben? Wie sieht der Schreibprozess bei Leonardo Padura aus?
     
    Na ja, zunächst brauche ich eine Idee, und die erscheint auf verschiedene Arten, obwohl sie meistens beim Lesen auftaucht. Dann beginnt das Schreiben, was das Unterhaltsamste ist, denn ich plane nichts voraus, sondern ich entdecke die Geschichte während ich sie schreibe. Das ist besonders angenehm bei den Romanen mit Conde, denn ich habe sie immer geschrieben, ohne vorab den Mörder zu kennen. So stellen also Conde und ich eine Art Nachforschung an, bis wir am Ende einen Mörder haben. Und dann gehe ich bereits zur schrecklichsten Stufe über: diese geschriebene Geschichte in Literatur zu verwandeln. Ich mache fünf, sechs oder wer weiß wie viele
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