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Ein perfektes Leben

Ein perfektes Leben

Titel: Ein perfektes Leben
Autoren: Leonardo Padura
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abschließt?«
    Der Teniente streckt beide Arme vor, die Handflächen nach oben.
    »So, Manolo, mit leeren Händen. Die Katastrophe war bereits eingetreten.«
    Sie sahen sich an. Als der Teniente seinem Kollegen gerade eine Zigarette anbot, wurde die Tür geöffnet, und sie sahen eine Zigarre hereinkommen und dahinter einen Mann.
    »Ausgezeichnete Arbeit mit diesem Maciques, Sargento«, sagte Mayor Rangel und lehnte sich gegen die Tür. »Und du hast dich mal wieder selbst übertroffen, Mario … Was war dieser Rafael Morín eigentlich für ein Mensch?«
    El Conde sah wieder Manolo an. Er wusste nicht, ob der Alte eine Antwort hören wollte oder die Frage nur laut in den Raum stellte. Es kam höchst selten vor, dass man Mayor Rangel außerhalb seines Büros sah und in diesem ratlosen Ton reden hörte. Die beiden zogen es vor zu schweigen.
    »Wann hab ich morgen den Abschlussbericht?«
    »Um zehn?«
    »Um neun. Patricia beendet ihre Arbeit in der Firma heute Nachmittag. Alles andere ist Sache unserer Wirtschaftsabteilung. Da kann noch allerhand ans Tageslicht kommen. Also, morgen früh um neun. Danach verschwindet ihr beide und kommt nicht vor Freitag zurück. Es sei denn, ich rufe euch vorher an … Und morgen schlag ich wegen dieser Geschichte einen Krach, der sich gewaschen hat! Mir reichts so langsam mit den losen Sitten und der Korruption, schließlich müssen wir am Ende immer die Kastanien aus dem Feuer holen!« Seine Stimme klang wie die eines viel größeren und jüngeren Mannes. Eine Stimme, die es gewohnt ist, zu fordern und zu protestieren. Der Mayor sah die makellose Asche seiner Zigarre und dann seine beiden Untergebenen an. »Und dann heißt es immer, die Verbrecher! Waisenknaben sind das im Vergleich zu Typen wie Morín und Maciques! Ich weiß nicht, was für Folgen das Ganze haben wird, auf allen Ebenen, aber ich will Köpfe rollen sehen … Ein angesehener Firmenchef unterschlägt tausende von Dollars! Ich begreif das nicht, ich begreif das einfach nicht.« Er öffnete die Tür und spazierte hinter seiner Zigarre hinaus. »Morgen um neun marschier ich los, mit dem Bericht unterm Arm … «
     
    »Nein, fang nicht wieder damit an!«, flehte Manolo. »Guck mal, es ist nicht mehr so kalt, und morgen müssen wir früh antreten, um den Bericht fertig zu machen. Der Fall ist nämlich noch nicht abgeschlossen.« Manolo ließ den Motor an, und Mario Conde murmelte: Wer sich mit Kindern einlässt …
    »Was hat diese Frau mit dir gemacht, Manolo?«, fragte er. »Du scheißt dich ja vor ihr in die Hose.«
    Der Wagen fuhr vom Parkplatz der Zentrale, und noch immer schüttelte Manolo den Kopf. »Vergiss es, und hör auf, mir Komplexe einzureden. Nicht ein Glas, basta! Ich fahr zu Vilma, und du kannst machen, wozu du Lust hast. Morgen früh um sechs hol ich dich ab … Außerdem, wenn ich erst anfange zu trinken, hör ich nicht mehr auf, und dann fangen wir an, uns zu streiten … Also, wo soll ich dich absetzen?«
    El Conde grinste. Der ist nicht zu retten, dachte er und drehte die Scheibe herunter. Die Kälte hatte eindeutig nachgelassen. Der Abend lag friedlich vor ihnen, fast alles war möglich. Er wollte etwas trinken, und Manolo wollte zu Vilma. Zwei legitime Wünsche. Immerhin war der Fall Rafael Morín abgeschlossen, jedenfalls für die Polizei. Mario fühlte sich leer. Ihn erwarteten zwei Tage Urlaub, mit denen er wieder nichts anzufangen wusste. Schon seit langem brachte er nicht mehr den Mut auf, sich vor die Schreibmaschine zu setzen – vielleicht würde er es nie wieder tun –, um einen der Romane zu beginnen, die zu schreiben er sich vor vielen, vielen Jahren vorgenommen hatte. Die Einsamkeit zu Hause, die feindselige Ruhe deprimierten ihn. Das mit Tamara, er wusste es, war bestimmt nur ein flüchtiges Abenteuer, das sehr bald mit dem Alltag zweier völlig unterschiedlicher Leben, zweier Welten, die nebeneinander bestehen, aber nur schwer miteinander zu vereinbaren waren, kollidieren würde. Und in der Bibliothek des alten Valdemira, dachte er, könnte ich vielleicht da meinen Roman schreiben?
    »Lass uns beim Beerdigungsinstitut in der Santa Catalina vorbeifahren. Rafaels Leiche müsste inzwischen angekommen sein.«
    »Wozu, Conde?«, fuhr Manolo auf. Totenwachen waren ihm schon immer zuwider gewesen, und er hatte keine Lust, sich jetzt so was anzutun.
    »Wozu? Weiß ich nicht. Es muss nicht für alles ein Wozu geben, oder? Ich möchte nur ein paar Minuten vor seinem Sarg stehen.«
    »In Ordnung,
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