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Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Titel: Ein neues Leben auf dem Jakobsweg
Autoren: Manolo Link
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Am frühen Abend wurde ich wach, begab mich in ein Restaurant, aß etwas, trank Wein, trank Bier und legte mich wieder ins Bett. Um fünf Uhr riss mich der Wecker aus meinen wirren Träumen. Ich stand auf, zog mich an, schulterte meinen Rucksack und ging zum Taxistand, wo ich mich von Jean verabschiedet hatte. Ihr Gesicht erschien vor meinem inneren Auge. Ich stieg ins Taxi, nannte dem Mann mein Ziel und starrte aus dem Fenster. Am Flughafen checkte ich ein, trank einen Kaffee und aß ein Croissant. Ich wusste nicht, wie mir geschah. Alles schien in Zeitlupe abzulaufen. Ich stieg ins Flugzeug, setzte mich, schnallte mich an und nahm nichts wirklich wahr. Die Maschine startete, ich sah aus dem Fenster. Tage zuvor war ich am Flughafen vorbei nach Santiago gepilgert. Der Flug nach Madrid dauerte nicht lange. Ich stieg aus dem Flugzeug, ging zum Gepäckband, nahm meinen Rucksack in Empfang, ging zu einem Restaurant, bestellte Kaffee, setzte mich an einen Tisch, nahm mein Tagebuch und schrieb. Ich schrieb und schrieb und wollte nicht mehr aufhören zu schreiben. Zehn Stunden musste ich auf dem Flughafen verbringen. Ich war müde, legte mich auf eine Bank und schlief ein. Die mir verhasste Kälte einer Klimaanlage weckte mich auf. In einem Restaurant kaufte ich einen Kaffee und ein Bocadillo. Trank, aß, dachte an Jean, dachte an den Camino, dachte an Hansi, Bernd, Yajaira, dachte an Santiago, Finisterre, Estibaliz, Ancora, dachte und schrieb. Ging aus dem Flughafengebäude in die Sonne, wärmte mich auf, ging zurück, checkte ein und flog nach Frankfurt.
     

»Die Entscheidungen waren nur der Anfang von etwas. Wenn man einen Entschluss gefasst hatte, dann tauchte man damit in eine gewaltige Strömung, die einen mit sich riss, zu einem Ort, den man sich bei dem Entschluss niemals hätte träumen lassen.«
    Paulo Coelho
     

18 Irland
     
    Das erste, was mich in Deutschland empfing, war einer der wenigen unfreundlichen Beamten bei der Passkontrolle. Na ja, dachte ich, jeder kann mal einen schlechten Tag haben. Ich kaufte mir eine Zugfahrkarte nach Bad Neuenahr, ging zum Bahnhof und schaute meinem Zug hinterher, der mir vor der Nase wegfuhr. Wütend lief ich ins Restaurant und bestellte ein großes Bier und einen kleinen Salat mit Brot. Der Kellner schaute mich mit einem Gesichtsaudruck an, den ich nicht deuten konnte. Minuten später brachte er mir meine Bestellung. Ich trank das Bier in großen Zügen. Als ich das Fertigdressing über die nicht mehr ganz frischen Salatblätter schüttete, vermisste ich das gute Essen in Spanien. Eine Stunde später saß ich im Zug und fuhr nach Hause. »Nach Hause?«, dachte ich. Nein, ich hatte nicht das Gefühl, dass die Wohnung, die ich an diesem Abend betreten würde, mein Zuhause sei. Ich wollte nicht zurück dorthin.
    Fragen tauchten auf. Werde ich Jean wiedersehen? Was mache ich nun? Dass ich von Bad Neuenahr Weggehen würde, stand für mich fest. Während meiner Pilgerschaft hatte ich festgestellt, was alles möglich ist, wenn ein Mensch sich aufmacht. Der gesamte Jakobsweg lief wie ein Film, in schnellen Bildern, vor meinem inneren Auge ab. »Ich habe nichts gesucht, doch unsagbar viel Wertvolles gefunden.«
    In Bad Neuenahr stieg ich aus dem Zug, ging zu meiner Wohnung, schloss die Tür auf und kam mir wie ein Fremder vor. Ich stellte meinen Rucksack ab, zog mich aus und legte mich ins Bett. Am nächsten Morgen wusste ich nicht, wo ich war. Ich schaute mich um. Die Bilder an den Wänden schienen mir wie Erinnerungen aus einer längst vergangenen Zeit. Mein Schrank, die blöde schwarze Kiste, wie ich den Fernseher nannte, der Teppich, den ich einst so wertgeschätzt hatte - alles war mir fremd. Ich stand auf, duschte mich, kochte Kaffee, aß ein paar Kekse, die ich noch im Rucksack fand, ging in die Stadt und wusste absolut nichts mit mir und dem Tag anzufangen. Es kam mir so vor, als wenn ich mich in einem Kreisverkehr befände. Liebend gerne hätte ich einen gelben Pfeil gesehen, der mir die Richtung weisen würde.
    Ich kaufte ein, trank irgendwo einen Kaffee, blätterte lustlos in einer Tageszeitung, musste ständig an Jean denken, ging nach Hause, legte mich aufs Sofa, schlief ein, wachte auf, ging in die Stadt, um etwas zu essen, ging wieder nach Hause und legte mich ins Bett. Am nächsten Tag fand ich allmählich meine Orientierung wieder. Ein längeres Gespräch mit Conni holte mich in die Gegenwart zurück. Ich telefonierte mit Hansi, der schon mit Jean gesprochen hatte,
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