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Ein Mund voll Glück

Ein Mund voll Glück

Titel: Ein Mund voll Glück
Autoren: Horst Biernath
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unsympathisch. Und dann trat er plötzlich aus dem Schatten einer Baubude. Ein Brocken von einem Kerl, nicht viel größer als ich, aber fast doppelt so schwer. >Guten Abend, Herr Doktor Golling!< — sagte er. >Da irren Sie sich aber beträchtlich!< — sagte ich oder wollte ich sagen. Neben mir tat Hannelore einen Schrei. Und im gleichen Augenblick hatte ich den ersten Kinnhaken im Gesicht. Und zwei oder drei weitere folgten, ehe ich überhaupt begriffen hatte, worum es ging...«
    »Manfred Sichler aus Harpfing!« rief der Doktor.
    »Er hat sich mir nicht vorgestellt«, ächzte Alois Seehuber, »aber Hannelore schrie ihren Fredi an, daß er sich in mir irre. Und er schrie sie an, daß sie gleich ein paar furchtbare Watschen fange, wenn sie nicht ihre verdammte Gosch’n halte. Immerhin kriegte ich einen Prügel zu fassen, Holz lag ja in Mengen herum, und drosch auf den Kerl ein. Er muß auch einiges abbekommen haben. Aber hinter seinen Fäusten lag mehr Druck und Gewicht. Er ließ erst von mir ab, als Hannelore lauthals nach der Polizei schrie. Da drehte er sich um, bekam sie zu fassen, drückte ihr eine Pratze vor den Mund und zerrte sie trotz ihres Gestrampels und Gezeters mit sich fort. Wahrscheinlich zu seinem Wagen, denn kurz darauf flammten die Scheinwerfer eines Autos auf, das fünfzig Schritt weiter am Völkerkundemuseum geparkt hatte. Eine Tür knallte zu, und der Wagen brauste mit quietschenden Reifen davon. Das war’s...«
    Der Doktor holte tief Luft. Er nahm Alois Seehuber das Handtuch ab und ging zum Waschbecken, um es frisch anzufeuchten.
    »Das tragische Opfer einer Verwechslung...«, murmelte er und biß die Zähne zusammen.
    »Halt’s Maul!« knurrte Alois Seehuber. Es wäre auch zuviel gewesen, von ihm Humor zu verlangen. —
    »Ich verarzte dich nach der Sprechstunde«, sagte der Doktor. »Ich werde versuchen, pünktlich um zwölf Uhr Schluß zu machen. Schick deine Weiber heim und komm zu mir rüber, wenn ich dir Bescheid gebe, daß die Luft rein ist. Inzwischen bringe ich dir einige Salben. Schmier die Schwellungen dick ein — aber ich fürchte, daß du gesalbt oder ungesalbt vierzehn Tage brauchen wirst, um wieder wie ein Mensch auszusehen!«
    »Vierzehn Tage! Mann, wie stellst du dir das vor? Ich kann doch den Laden nicht einfach dicht machen!«
    »Du müßtest vier Wochen lang pausieren, wenn du dir den Haxn gebrochen hättest — und für immer, wenn es das Genick gewesen wäre.«
    Alois Seehuber zischte einen haarsträubenden Wunsch und blitzte den Doktor aus einem Auge mordlüstern an.
    »Sprich dich ruhig aus, wenn es dich erleichtert«, sagte der Doktor liebenswürdig, »und wechsle die Umschläge so oft wie möglich. Es kühlt...«
    Er lief in seine Praxis hinüber, packte aus seinem Medikamentenvorrat eine Flasche mit essigsaurer Tonerde und ein halbes Dutzend Tuben mit Wund- und Heilsalben zusammen und lieferte sie ab.
    »Und was soll nun weiter geschehen?« fragte Alois Seehuber. Er machte einen völlig entmutigten und zerstörten Eindruck.
    »Wie gehabt!« antwortete der Doktor. »Mach den Laden zu und richte eine Art Jour-Dienst ein, bei dem deine Mädchen sich abwechseln. Die Post läßt du dir nach Hause bringen.«
    »Und die laufenden Termine?«
    »Absagen! Ich stelle dir ein Attest aus, daß du an einer bösartigen Kiefervereiterung leidest, die mit großer Wahrscheinlichkeit eine klinische Behandlung notwendig macht.«
    Alois Seehuber ergab sich in sein Schicksal: »Was bleibt mir anders übrig? Schick die Mädchen heim und sag ihnen, daß sie mit dem Jour-Dienst morgen beginnen sollen. Ich werde heimschleichen, sobald es dunkel ist. Hoffentlich fällt meine Schwester nicht in Ohnmacht. Du weißt, sie erwartet das vierte Kind!«
    »An Versehen glaubt man nur noch in Khoranshar«, grinste der Doktor. »Kann ich sonst noch etwas für dich tun? Soll ich dir etwas zu essen besorgen lassen?«
    Alois Seehuber schien allein der Gedanke an Essen Übelkeit zu bereiten: »Monika soll mir einen Liter Milch und zwei Flaschen Selters holen. Ich habe nichts als Durst, einen höllischen Durst.«
    »Wird erledigt!«
    Der Doktor wandte sich zum Gehen, aber Alois Seehuber seufzte so erbarmungswürdig auf, daß er noch für einen Augenblick verhielt: »Noch was, alter Spezi?«
    »Und dazu noch die Pleite«, stöhnte der alte Spezi händeringend, »ich weiß nicht, wie ich die Miete und wie ich die Löhne für die Mädchen aufbringen soll...«
    Der Doktor machte ein Gesicht, als höre er das
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