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Ein Mund voll Glück

Ein Mund voll Glück

Titel: Ein Mund voll Glück
Autoren: Horst Biernath
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Bankhaus Merz & Star eingerichtet habe. Er hoffe, daß der Doktor mit der Summe, auf die der neue Scheck laute, für die gehabten und zukünftigen Bemühungen zufrieden sein werde. — Er gab seinem Wesir der Finanzen einen Wink, Scheich Abdullah trat vor, griff in die Tiefen seines weißen Gewandes und überreichte dem Doktor ein zusammengefaltetes Papier, das der Doktor in seiner Brusttasche verschwinden ließ, ohne einen Blick darauf zu werfen. Er verbeugte sich tief und murmelte, daß er von der Großzügigkeit des Emirs von Khoranshar überzeugt sei.
    »Bist du es wirklich?« hörte er Irene flüstern.
    Hoch oben schnüffelte Herr Kroll vernehmlich, als röche er ein angebranntes Süppchen: »Wollen Sie sich wirklich überraschen lassen? Denken Sie an Firdusi, der von Sultan Mahmud für die 60 000 Verse des Königsbuches >Schahnâme< mit Gold belohnt zu werden erwartete und in dem Beutel, den ihm der Sultan überreichen ließ, schäbiges Silber fand.«
    »Macht mich nicht weich!« knurrte der Doktor und spielte mit einer Zange aus verchromtem Stahl. »Wenn ich in meinem Beutel schäbiges Silber finden sollte, dann finde ich im Mund des Emirs ein Zähnchen, das ich ihm ohne Narkose ziehen werde. Nein, nein, verehrter Herr Kroll, mit Dichtern kann man sich üble Scherze erlauben, mit Zahnärzten nie!«
    Er drückte den Emir freundlich, aber resolut in das Polster zurück und bedeutete ihm durch ein Spreizen des Daumens, daß er den Mund wieder öffnen möge. Der Emir tat es willig, und der Doktor griff nach Zahnspiegel und Stahlgriffel und klopfte jeden der vierundzwanzig Zähne, die der Emir noch sein eigen nannte, gründlich ab. Er zwinkerte dabei Irene zu, denn es war ja ihr Ratschlag gewesen, den Emir merken zu lassen, daß er für sein gutes Geld auch erstklassig bedient würde.
    »In Ordnung, Hoheit«, sagte er schließlich, gestattete dem Emir den Mund zu schließen und half ihm in die Vertikale, »und nun wollen wir uns noch die passenden Zähnchen aussuchen!« Er ließ sich von Irene die Kassetten reichen, in denen, säuberlich nach Farben und Größen geordnet, auf rosigem Samt einige Dutzend Modellzähne, wie Perlen schimmernd, aufgereiht lagen. Ein Raunen der Bewunderung ging durch den Salon. So etwas Herrliches fand man in keinem orientalischen Bazar, nicht in den Soukhs von Marrakesch und Bagdad, ja nicht einmal unter den Kuppeln des großen Bazars von Teheran. Sogar der Emir war sichtlich beeindruckt und musterte die Kollektion mit begehrlichen Augen.
    Der Doktor war von den Firmen, die solche Köstlichkeiten fabrizieren, bei der Eröffnung seiner Praxis so reichlich mit Musterkollektionen beliefert worden, daß er es sich leisten konnte, die beiden Kassetten dem Emir mit einer edlen Geste als Geschenk zu überlassen. Er gab Herrn Kroll einen Wink: »Sagen Sie dem Emir, daß ich ihm diese kostbaren Kassetten mit dem Wunsch überreiche, er möge sich beim Anblick dieser kunstvollen Gebilde noch in ferner Zukunft mit freundlichen Gedanken des Mannes erinnern, der die Ehre hatte, ihn von seinen Schmerzen zu befreien.«
    Herr Kroll entledigte sich seiner Aufgabe mit großer Würde. Vielleicht aber erzielte die Ansprache eine besondere Wirkung, weil sie aus dem Mund dieses über jedes Menschenmaß hinausgewachsenen Dolmetschers wie von einem Minarett herab zu den Ohren des Emirs drang.
    »Das war ein raffinierter Einfall von Ihnen«, flüsterte Herr Kroll dem Doktor zu. »Der Emir kann sich jetzt nicht lumpen lassen. Ich bin gespannt, was er Ihnen als Gegengabe dedizieren wird.«
    »Darauf hatte ich es nun wirklich nicht abgesehen!« sagte der Doktor peinlich berührt, daß man seiner liebenswürdigen Geste eine höchst eigennützige Absicht unterschob.
    Der Emir schloß die flachen Kassetten, nachdem er sich am Anblick ihres Inhaltes lange geweidet hatte, und ließ sie in seinem Gewand verschwinden. Er nickte dem Doktor zu. Sein Antlitz strahlte wie der gütige Vollmond auf. Dann trat ein nachdenklicher Zug in seine Augen, und er begann an dem riesigen Smaragd zu drehen, der als Solitär gefaßt am Ringfinger seiner linken Hand blitzte. Der grüne Stein war so groß wie eine Bohne, und obwohl der Doktor von Juwelen und ihrem Wert keine blasse Ahnung hatte, hielt er den Atem an, denn dieser Stein war fraglos ein Vermögen wert. Auch Herr Kroll schluckte hörbar. Und Irene verfolgte die Szene mit großen Augen...
    Aber entweder war der Ring zu klein, oder es war des Emirs Finger zu dick geworden, alle
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