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Ein mörderischer Sommer

Titel: Ein mörderischer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fielding Joy
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sich andauernd verhaspelte, immer wieder um Entschuldigung bat. Sie hatte den Mund nicht aufgemacht, hatte sich nicht bewegt, außer als sie die Tränen wegwischte. Sie hatte nicht protestiert, keine Bitten geäußert oder Gegenangriffe unternommen. Sie hatte einfach nur zugehört, und dann hatte sie auf Pauls Wunsch hin bei Susannah angerufen und Lulu gebeten, nach Hause zu kommen. Sie war im Zimmer geblieben, als Paul seinen Entschluß, auszuziehen, vor den Töchtern wiederholte, und als die beiden später, lange nachdem er gegangen war, eine Reaktion gezeigt hatten, war ihr Zorn, genau wie Joanne es vorausgesehen hatte, gegen sie gerichtet gewesen, nicht gegen den Mann, der sie verlassen hatte.
    »Ich kann doch nichts dafür«, hatte sie sagen wollen. Aber irgendwie, fühlte sie, war es doch ihre Schuld.
    Joanne ertrug den leeren Platz neben sich im Bett nicht länger und stand auf. Sie ging ans Fenster und starrte in den Garten hinunter. Die Baugrube, die die Arbeiter darin zurückgelassen hatten, wurde von der Schwärze der Sternenlosen Nacht gnädig verhüllt. Sie sah hinüber zu Eves Haus. Hell und anschuldigend brannten die Lampen auf Eves überdachter Terrasse. Sorgfältig zog Joanne die Vorhänge zu, griff zum Telefonhörer und wählte. Als Eve auch nach dem achten Klingelzeichen nicht abgenommen hatte, legte Joanne auf. Es war schon spät, fast Mitternacht, und ihr fiel ein, daß Eve ihr erzählt hatte, Brian und sie würden an diesem Abend zu einer Polizeifete gehen.
    Lulu schlief – oder hatte zumindest so getan, als Joanne einen Blick in ihr Zimmer geworfen hatte. Robin war auf einer Party.
    Mit roboterartigen Bewegungen kroch Joanne zurück in das riesige Ehebett. Meine Eltern haben mich angelogen, dachte sie. Sie hatten ihr immer versprochen, mit zunehmendem Alter würden auch Weisheit und Ausgeglichenheit kommen. Sie werde erwachsen werden, hatte das Lächeln ihrer Eltern schweigend verheißen, und die Welt werde ihr gehören. Sie werde Kontrolle über ihre Handlungen, über ihr Leben haben, werde Entscheidungen treffen, wählen, werde sich geborgen fühlen in einer beständigen, ein für allemal so eingerichteten Welt. Und eine Zeitlang hatten sie recht behalten: Im großen und ganzen war sie aufgewachsen wie geplant, hatte geheiratet und Kinder zur Welt gebracht – Kinder, die dann sie als die Quelle der Weisheit betrachtet hatten …
    Erst nachdem Robin heimgekommen war, schlief Joanne ein.
    Das Telefon klingelte. Schlaftrunken griff Joanne nach dem Hörer. »Hallo.«
    Am anderen Ende der Leitung war niemand. Nicht einmal Schweigen. Langsam wurde sie wach. Nur das Besetztzeichen. Hatte das Telefon wirklich geklingelt? Sie legte sich zurück. Ihr Herz schlug wie wild. Den Rest der Nacht verbrachte sie irgendwo zwischen Schlafen und Wachen eingekeilt.

4
    Die Mädchen schliefen noch, als Joanne am nächsten Tag kurz vor zwölf Uhr mittags das Haus verließ. Sie war müde und hatte geschwollene Augen vom Weinen und vom schlechten Schlaf. Was würdest du jetzt zu mir sagen, Mom, fragte sie in den wolkenlosen Himmel hinein, während sie auf dem Rasen zu Eves Haus hinüberging. Schultern zurück, Bauch rein! hörte sie ihre Mutter antworten, und sie lächelte. Moms Standardantwort!
    Du hast Paul immer gern gehabt, fuhr Joanne in Gedanken fort. – Ein intelligenter, gutaussehender Junge aus einer netten Familie, erklärte ihre Mutter, er wollte Rechtsanwalt werden, er liebte meine Tochter …
    Liebte, wiederholte Joanne. Was macht man, Mom, fragte sie schweigend, während sie an Eves Tür klopfte, wenn jemand plötzlich aufhört, dich zu lieben?
    Niemand öffnete. Joanne klopfte noch einmal und drückte dann auf die Klingel. Es erinnerte sie an das Läuten des Telefons mitten in der Nacht. Hatte es wirklich geklingelt, oder hatte sie es nur geträumt? Wie verrückt mußte man sein, daß man Befriedigung daraus zog, fremde Leute in den frühen Morgenstunden anzurufen und fast zu Tode zu erschrecken?
    Sie mußte mit Eve sprechen. Eve würde alles geraderücken. Sie würde Joanne helfen, Pauls Standpunkt zu verstehen. »Jedes Ding hat zwei Seiten«, hörte sie Eve schon sagen. »Deine und die von dem Arschloch!« Eve würde sie zum Lachen bringen. Aber wo war sie? Warum ging sie nicht an die Tür?
    Gerade als Joanne schon aufgeben wollte, erschien Eves Mann, Brian, und ließ sie herein. Brian Stanley war fünfundvierzig Jahre alt, groß, mit sehr sanft blickenden Augen, die nichts von dem

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