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Ein mörderischer Sommer

Titel: Ein mörderischer Sommer
Autoren: Fielding Joy
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geschehen war, habe ich angerufen … Ich bin auch hergefahren. Dann hat mir Eves Mutter erzählt, daß du nach Kalifornien geflogen bist.«
    »Ich mußte mich erst einmal ein paar Tage lang erholen«, erklärt Joanne. »Es tut mir leid, ich hätte dich anrufen sollen. Aber ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Alles ging so schnell.« Nervös sieht sie sich im Raum um. »Es passiert schließlich nicht alle Tage, daß ich jemanden beinahe umbringe«, sagt sie leise.
    »Hätte keinem Netteren zustoßen können. Du hast ja einen ziemlichen Schlag drauf«, witzelt Paul. »Ich habe gehört, er hat sich einen Arm und ein Bein gebrochen, als er in den Pool fiel. Gut, daß noch kein Wasser drin war.«
    »Irgendwie findet sich alles«, sagt Joanne lächelnd. »Dein Kaffee wird kalt.«
    Paul setzt sich an den Küchentisch, auf den Stuhl, der immer schon seiner war. Joanne nimmt auf dem Stuhl gegenüber Platz. Sie wundert sich, daß Paul gekommen ist. In weniger als einer Stunde werden die Mädchen vom Ferienlager zurück sein.
    »Ich habe solche Schuldgefühle«, sagt er.
    Joanne zuckt die Achseln und schweigt. Was soll sie schon sagen?
    »Ich hätte hiersein müssen«, spricht er weiter. »Ich hätte dasein müssen für dich. Dann wäre das alles nicht geschehen.«
    »Das stimmt nicht«, erwidert Joanne. »Und ich sage das nicht etwa deshalb, damit du dich besser fühlst, ich sage es, weil es die Wahrheit ist.« Paul sieht sie fragend an. »Die Frauen, die der Vorstadtwürger ermordete, hatten Ehemänner, die da waren und sie hätten beschützen können. Sie sind trotzdem gestorben. Aber ich nicht. Vielleicht hat gerade die Tatsache, daß du nicht da warst und ich mich ganz auf mich allein verlassen mußte, mir das Leben gerettet. Ich weiß es nicht. Es ist eine hübsche Theorie. Außerdem ist es jetzt vorbei, und mir geht es wieder gut. Deshalb schlage ich vor, daß du aufhörst, dich schuldig zu fühlen, es sei denn, du genießt dieses Gefühl.«
    Paul sieht Joanne mit mehr als nur einer Spur Überraschung an. »Du hättest das alles nicht durchzumachen brauchen«, sagt er leise, noch nicht bereit, alle Schuld abzustreifen.
    »Nein, ich hätte das nicht alles durchzumachen brauchen«, stimmt Joanne ihm zu. »Aber so ist das nun mal.« Sie dreht den Kopf in Richtung Swimmingpool. Sie sieht die Dunkelheit, spürt das Messer ihr T-Shirt zerschneiden, hört den Tennisschläger auf den Kopf des Jungen krachen, sieht zu, wie er in das Zementloch fällt. »Ich möchte das Haus verkaufen«, sagt sie.
    »Das kann ich verstehen.«
    Joanne nickt. Sie ist dankbar, daß er auf keiner Diskussion besteht. »Ich möchte ein Haus ohne Pool«, fügt sie hinzu.
    »Okay«, sagt er locker. Er nimmt einen großen Schluck Kaffee. »Wie war es in Kalifornien?«
    Joanne lacht. »Also, verglichen mit hier war es ziemlich langweilig.«
    »Wie geht es deinem Bruder?«
    »Gut. Er hat versucht, mich dazu zu überreden, nach Kalifornien zu ziehen.«
    »Spielst du mit dem Gedanken?« fragt Paul. Seine Schultern haben sich versteift, aber seine Stimme klingt ruhig.
    »Nein«, antwortet Joanne. »Die Mädchen würden aus der gewohnten Umgebung gerissen werden, würden ihre Freunde verlieren. Außerdem habe ich ja einen Job …«
    »Hast du noch immer vor, weiterzuarbeiten?«
    »Ja.«
    Pauls Schultern sind wieder entspannt. »Das finde ich gut.«
    »Ich dachte mir, ich nehme die Mädchen morgen mal mit in die Praxis«, erzählt Joanne. »Ich möchte ihnen zeigen, wo ich arbeite und was ich tue.«
    »Das wird ihnen bestimmt gefallen.«
    »Sie sollen sehen, daß ihre Mutter mehr ist als ein Fußabstreifer mit einem ›Willkommen‹ auf dem Rücken.«
    »Ich bin mir ganz sicher, daß sie dich nicht so sehen.«
    »Wie hätten sie mich denn anders sehen können?« fragt Joanne. »Ich war so sehr damit beschäftigt, jedermanns Erwartungen gerecht zu werden, daß ich selbst völlig verschwand. Ich werfe dir nichts vor«, fügt sie hastig hinzu. »Es war nicht deine Schuld. Es war meine eigene Schuld! Irgendwann hatte ich vergessen, ich selbst zu sein. Ich mache dir auch keinen Vorwurf daraus, daß du mich verlassen hast. Wirklich nicht. Wie soll man denn auch mit einem Schatten leben können?«
    »Mit mir war es ja auch nicht gerade weit her.«
    »Nun, zumindest warst du ehrlich.«
    »Ehrlich – Schwachsinn!« ruft Paul. »Ich war ein genußsüchtiges Arschloch.« Er steht auf, trägt seine leere Tasse zur Spüle und reinigt sie. »Ich meine, was habe
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