Ein mörderischer Sommer
anderen sein würde?«
»Du kannst deinen süßen Arsch darauf wetten, daß ich mich das gefragt habe«, sagt Eve wütend. »Jeder Mensch hat von Zeit zu Zeit solche Gedanken. Aber man zerstört nicht seine Ehe, man verläßt nicht zwei Töchter, die ihren Vater noch brauchen, nur weil man nicht glücklich ist! Wer hat dir denn versprochen, daß du andauernd glücklich sein wirst?«
»Ich will eben mehr«, gesteht er leise.
»Weniger willst du!« berichtigt sie ihn. »Eine Frau weniger, zwei Kinder weniger …«
»Ich habe dich nie betrogen, Joanne. In zwanzig Jahren habe ich dich kein einziges Mal betrogen.«
»Soll ich mich jetzt wohler fühlen?« fragt Eve. »Wenn man mir die Scheidungspapiere überreicht, soll ich da vielleicht mit den Achseln zucken und sagen: ›Na ja, wenigstens hat er mich nicht betrogen‹?«
»Ich habe kein Wort von Scheidung gesagt.«
Eva starrt Joannes Mann an. »Da muß ich irgend etwas mißverstanden haben. Über was reden wir hier eigentlich?«
»Wir reden über eine Trennung«, erklärt er. »Sechs Monate, vielleicht ein Jahr. Deshalb können wir uns immer noch sehen … ins Kino gehen vielleicht … oder zusammen essen gehen … Bitte, Joanne, ich bitte dich doch nur um ein bißchen Zeit, damit ich über alles nachdenken kann. Ich will mich nicht voreilig scheiden lassen. Ich brauche nur ein bißchen Zeit, um herauszufinden, was ich eigentlich will, ob ich mit der Juristerei weitermachen will oder nicht … Im Augenblick bin ich mir da völlig unsicher. Ich brauche Zeit für mich selbst. In ein paar Monaten bin ich dann hoffentlich soweit, daß ich klare Entscheidungen treffen kann, und ich hoffe, daß diese Trennung uns guttun wird, daß wir vielleicht wieder zueinanderfinden können.«
»Man trennt sich nicht, um wieder zueinanderzufinden. Man trennt sich, um sich scheiden zu lassen.«
»Nicht unbedingt.«
»Sei doch nicht so naiv, Paul! Du hast doch gesehen, wie es anderen Leuten damit ergangen ist. Eine Trennung verselbständigt sich. Dann hat man es plötzlich nicht mehr nur mit den ursprünglichen Schwierigkeiten zu tun, sondern auch mit denen der Trennung. Wenn wir Probleme miteinander haben, dann mußt du hierbleiben und versuchen, sie zu lösen. Du mußt mit mir sprechen, du mußt mir sagen, was dich stört, anstatt mich auszuschließen. Meine Eltern haben mich genauso behandelt, das war ein großer Fehler. Ihr ganzes Leben lang haben sie mich beschützt, und plötzlich waren sie nicht mehr da, und jetzt machst du dasselbe mit mir. Das ist nicht richtig!«
»Du wirst es überstehen«, fährt Paul dazwischen. Er fühlt ihre wachsende Panik auf sich übergehen. Verzweifelt versucht er ihr – aber auch sich selbst – zu beteuern: »Du bist stark, stärker, als du glaubst. Du wirst damit fertig, so wie du mit allem fertig wirst. Wahrscheinlich macht es dir plötzlich sogar einen Riesenspaß …«
Stille. Beide überlegen, was jetzt zu sagen bleibt.
»Ich habe mir gedacht, ich versuche ein Apartment in der Nähe der Kanzlei zu finden«, verkündet Paul. In diesem Augenblick dringt vom Garten ein lautes Streitgespräch zwischen zwei Arbeitern herein. »Für dich und die Mädchen wird natürlich gesorgt sein. Was immer du brauchst, du mußt es mir nur sagen. Geld wird kein Problem sein, das verspreche ich dir.«
»Bis du eine andere findest«, sagt sie ätzend. »Die ganze Welt ist voll von Frauen, die mit den ›Kein-Geld‹-Problemen kämpfen, die ihre Männer ihnen hinterlassen haben, nachdem ihr anfängliches Schuldgefühl überwunden war.« Eine weitere peinliche Pause folgt; jeder wartet darauf, daß der andere zu sprechen beginnt. »Wer soll es den Mädchen beibringen?« fragt Eve. Gerade hat sie Robin heimkommen hören.
»Ich mache das.«
»Wann?«
»Wann du willst.«
»Heute tun wir das, was du willst«, erinnert sie ihn.
Plötzlich klingt seine Stimme genauso schneidend wie ihre. »Nun gut«, sagt er. Sie hören, wie ihre Tochter direkt unter ihnen in der Küche hin und her geht.
»Lulu ist drüben bei Susannah.«
»Würdest du sie bitte anrufen?«
»Du bist derjenige, der mit ihr sprechen will«, antwortet Eve trocken. »Ruf sie doch selber an.«
Paul nickt. Dieses Bild blieb, als Joanne die Augen aufschlug und in das Dunkel des nächtlichen Zimmers starrte.
So war es nicht gewesen.
Sie hatte nichts gesagt. Überhaupt nichts. Sie war einfach nur dagesessen und hatte zugehört, während Paul seinen Entschluß zu erklären versuchte,
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