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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus
Autoren: Gerald Messadié
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niedergeschrieben hat, die Muße hatte, die Farbe der aus der Wunde strömenden Flüssigkeit eingehend zu besehen. Die zwischen »Wasser« und »Blut« getroffene Unterscheidung, der Wassererguß, auf den sogleich Blut folgte, ist ein Hinweis dafür, daß er alles, was er beschreibt, genau beobachtet hat, und daß es sich bei der Flüssigkeit nicht um sogenanntes Leichenblut handelte.
    Aber neben diesen im Grunde schon erwiesenen Tatsachen wollen wir unser Augenmerk auch auf Gegebenheiten richten, die sich im Licht der Geschichte enträtseln lassen. Vor allem möchte ich auf das äußerst ungewöhnliche Verhalten der zwei Juden, Josef von Arimathäa und Nikodemus, zu sprechen kommen. Beide sind Mitglieder des Sanhedrin und in jedem Fall geachtete Juden, die ganz offen gegen zwei unantastbare Gebote verstoßen, das eine politischer, das andere religiöser Art.
    Das politische Tabu verletzen sie damit, daß sie sich völlig unangemessen verhalten, und das sowohl Pilatus als auch dem Sanhedrin gegenüber, der Jesus durch Mehrheitsbeschluß zum Tod verurteilt hat: Sie wenden sich an den römischen Statthalter, um den Leichnam des noch am selbigen Morgen hingerichteten Aufwieglers zurückzufordern! Josef von Arimathäa unterstreicht diese herausfordernde Handlungsweise sogar noch, indem er sich erbietet, Jesus in einem ganz neuen, von ihm erworbenen Grab beizusetzen. Ein Mitglied des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten, das Sacco und Vanzetti in seinem eigenen Familiengrab hätte beisetzen wollen, wäre wohl kaum exzentrischer erschienen!
    Die Verletzung des religiösen Tabus steht hinter der des politischen nicht zurück. Die jüdische Religion schreibt vor, daß am Vorabend des Passah-Festes vor Sonnenuntergang alle Reinigungsriten abgeschlossen sein müssen, und erklärt ausdrücklich, daß die Berührung eines Leichnams ebenso wie der Kontakt mit Frauen während ihrer Menstruation zu den schwersten Verstößen gegen das jüdische Reinheitsgebot gehören. Und da spielen Josef und Nikodemus aushilfsweise auch noch Totengräber! Außerdem will es der Brauch, daß sich jeder Jude vor Sonnenuntergang innerhalb der Stadtmauern Jerusalems aufhält. Weit gefehlt: Die beiden machen sich auf dem Golgota zu schaffen, um für die Beisetzung eines Staatsfeindes zu sorgen! Ein derartiges Verhalten kann nur nachdenklich stimmen. Oder aber Skepsis wachrufen. In Wirklichkeit erklärt jedoch der eine Verstoß den andern. Josef von Arimathäa und Nikodemus wußten, daß Jesus nicht tot war. Daher erklärt sich auch die Leichtigkeit, mit der sie den Verstoß gegen ihre Religion auf sich nahmen.
    Wenn man ihren Zeitplan nach Jesus’ angenommenem Tod rekonstruiert, kommt man zu einem Ablauf, der möglicherweise so ausgesehen hat:
     
18.00: Die Wache auf dem Golgota hält Jesus für tot; Josef von Arimathäa und Nikodemus kommen zum hasmonäischen Palast und bitten Pilatus um eine Unterredung.
18.15: Sie werden vom Prokurator empfangen.
18.20: Der Prokurator schickt einen Zenturio los, um sich Gewißheit über Jesus’ Tod zu verschaffen.
18.40: Der Zenturio kehrt zurück und bestätigt die Nachricht; Pilatus erteilt den Besuchern seine Genehmigung.
18.50: Josef und Nikodemus kaufen ein Leichentuch und wohlriechende Kräuter in der Stadt und brechen dann wieder, sicherlich in Begleitung von Dienern, zur Schädelstätte auf.
19.00: Sie gelangen auf dem Golgota an und machen sich daran, den Gekreuzigten von den Nägeln zu befreien. Dazu benötigen sie Leitern und Zangen und die Hilfe von drei Männern.
19.20: Jesus wird auf den Boden gelegt; wird er auch gewaschen, wie das Ritual es vorschreibt? Johannes erwähnt es nicht. Er wird auf das Leichentuch gelegt, mit Duftstoffen bedeckt.
19.40: Ein Zug trägt Jesus’ Leichnam zum neuen Grab des Josef von Arimathäa.
20.10-20.30: Der Leichnam wird in das Grab gelegt, das daraufhin verschlossen wird. Josef von Arimathäa und Nikodemus kehren nach Jerusalem zurück.
     
    Unsere beiden Retter haben kaum Zeit, ein Abendessen zu sich zu nehmen, denn ihr Werk ist noch nicht vollendet. Neben dieser äußerst wunderlichen Begebenheit fallen mindestens noch zwei weitere ins Auge. Die erste Absonderlichkeit besteht darin, daß das jüdische Gesetz verbot, am Vorabend des Passah-Festes nach Sonnenuntergang auf dem Golgota Menschen am Kreuz hängen zu lassen. Da die Gekreuzigten nicht noch lebend abgenommen werden konnten, liefert diese Vorschrift eine Erklärung dafür, daß den beiden
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