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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus
Autoren: Gerald Messadié
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gleichzeitig mit Jesus ans Kreuz geschlagenen Räubern die Schienbeine gebrochen wurden, um sie dann in aller Eile abnehmen und begraben zu können. Jesus aber wurden sie nicht gebrochen, wie Johannes ausdrücklich betont. Weshalb? Theoretisch, weil er womöglich schon tot war, meiner Ansicht nach, weil eine Verschwörung im Gange war. Die auf dem Golgota postierten Wachen waren sicherlich leicht zu bestechen. Steckten Josef von Arimathäa und Nikodemus ihnen Geld zu? Die Verschwörung war gewiß viel breiter angelegt, und der Gedanke ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen, daß Pilatus’ Frau Procula ebenso an ihr beteiligt war wie Maria, die Witwe des Kleophas, die aus Herodes’ Haushalt stammte. Warum aber nicht auch der Prokurator selbst, der bekanntlich Jesus nicht feindlich gesinnt war?
    Nach Matthäus sollen die Priester die Wachen bestochen haben, damit sie, als man das Grab leer vorfand, nicht von dem gleißenden Licht sprachen, das sie geblendet hatte, als ein Engel den runden Stein vom Grabeingang wegwälzte. Sie sollten vielmehr sagen: »Seine Jünger kamen des Nachts und stahlen ihn, dieweil wir schliefen« (28, 13). Sollten die Priester wirklich zu einer so naiven List gegriffen haben? Denn wenn die Wachen eingeschlafen waren, woher hätten sie dann wissen können, wer den Leichnam gestohlen hatte? Und wenn jene Grabschänder sie aus dem Schlaf geschreckt hätten, warum waren sie ihnen dann nicht nachgelaufen? Diese Gegengeschichte wird um so fragwürdiger, als Matthäus in Kapitel 27, 3—4 von mehreren Wachen berichtet, in Kapitel 27, 66 dagegen nur von einer.
    Zwei Überlegungen möchte ich noch anfügen zum Abschluß meiner Darstellung der historischen Gegebenheiten, die ich zur Untermauerung meiner Verschwörungstheorie zu Jesus’ Rettung brauchte. Die erste beschäftigt sich mit den offenkundigen, merkwürdigen und zum Teil überaus raffinierten Bemühungen, mit denen man Jesus zu Hilfe eilte. Obwohl der Prokurator mit seiner Frau von den Christen Äthiopiens in religiöser Verehrung angerufen wurde, wird er nicht als frommer Mann dargestellt. Josephus und Philon sehen einen Rohling und Mörder in ihm, einen »von Natur aus unnachgiebigen und unerbittlich gnadenlosen« Menschen, wie Philon ihn beschreibt. Natürlich sind Josephus und Philon Juden und folglich auf römische Funktionäre nicht sonderlich gut zu sprechen. Trotzdem aber kann jene Hypothese abgelehnt werden, der zufolge in Jesus’ Gegenwart plötzliche Gnade über Pontius Pilatus gekommen sei oder ihn eine derartige Bewunderung ergriffen habe, daß er versuchte, ihm den Kreuzestod zu ersparen.
    Die zweite Überlegung gilt der Faszination, in deren Bann Herodes durch Jesus geriet. Sieht man einmal von den plumpen Karikaturen ab, die Herodes den Großen und seinen Sohn Herodes Antipas nicht gerade ins beste Licht rücken, muß man zugeben, daß beide doch ausgezeichnete Regenten waren. Herodes Antipas war mit Sicherheit nicht jener schwerfällige Dummkopf, als den die Evangelien ihn gerne darstellen; selbst Jesus bezeichnet ihn als »Fuchs«. Wenn er Herodias’ Drängen nachgab und den Täufer enthaupten ließ, so letztendlich doch nur, weil es um seine Autorität ging. Jedenfalls erwähnen sogar die Evangelien seine Gewissensbisse über Jokanaans Hinrichtung. Er glaubte nämlich, daß Jesus, als er das erstemal von ihm hörte, der auferstandene Täufer sei, was zumindest auf ein abergläubisches, vielleicht sogar religiöses Empfinden hinweist.
    Bei Jesus’ Festnahme, so berichtet Lukas (23,7), hielt Herodes sich in Jerusalem auf. Lukas behauptet, daß der Sanhedrin Druck auf Herodes ausübte, um Jesus’ Verurteilung von ihm zu erzwingen. Das ist eine Erfindung, denn Herodes hatte keine rechtsprechende Macht in Jerusalem. Wenn Herodes also dem angeklagten Jesus begegnen wollte, dann nicht aus rechtlichen Gründen.
    Pilatus’ und Herodes’ Interesse war politischer Art, beide wurden jedoch von unterschiedlichen Beweggründen geleitet. Israel war damals der Auflösung nahe; geographisch war es in fünf Provinzen unterteilt, die der Führung verschiedener Statthalter unterstanden, und gesellschaftlich war es zersplittert: Die Samariter wurden von allen anderen Juden gehaßt und umgekehrt, die Judäer verachteten die Galiläer, was ebenso auf Gegenseitigkeit beruhte, die legitimistischen Pharisäer verabscheuten alle Hasmonäer — einer von diesen, der schon erwähnte Alexander Jannai, hatte sie ein knappes Jahrhundert zuvor
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