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Ein Mann zum Abheben

Ein Mann zum Abheben

Titel: Ein Mann zum Abheben
Autoren: Kim Wright
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die Kamera prellen wird.
    »Geh bitte vorsichtig mit dem Bild um«, ermahne ich Tory. »Klebe es nicht ein, sondern nimm Fotoecken, und pass auf, dass du es nicht verlierst und dass es nicht geknickt wird.« Es ist mein liebstes Bild von uns beiden.
    »Wer hat es gemacht?«
    »Ich habe den Selbstauslöser eingestellt«, erklärt Phil, »dann bin ich drum herumgelaufen, um bei deiner Mutter
zu sein, bevor er knipst. Ich wollte dieses Bild machen, weil ich wusste, dass ganz bald etwas Wunderbares geschehen würde.« Tory senkt den Kopf, als sei ihr das peinlich, in Wirklichkeit aber ist sie hochzufrieden.
    »Du bist ein toller Vater«, sage ich zu Phil. Leise, als wäre es ein Geheimnis, das wir vor Tory bewahren müssen.
    »Schön zu hören, dass es Dinge gibt, die ich gut mache«, gibt er zurück.
    Es ist fast sechs Uhr. Ich stehe vor der Spüle und lasse Wasser über die Tomaten und Pilze laufen. Währenddessen blase ich in meine unsichtbare Posaune. Tory klettert auf Phils Rücken herum und steckt ihre Füße in seine Hosentaschen, als wären es Treppen. Er hält seine Hände auf, um ihr einen besseren Halt zu verschaffen, und sie kämpft sich auf seine Schultern hoch, schaukelt hin und her, packt mit ihren kleinen Fingern seinen Bart, schlägt ihm beinahe die Brille von der Nase, während sie sich hochreckt, und klatscht mit den Handflächen gegen die Decke. Viele Jahre sind es nicht mehr, die er sie auf diese Weise wird emporheben können. Ich stehe an der Spüle und beobachte die beiden, meine Tochter und diesen durch und durch anständigen Mann, den ich offenbar nicht lieben kann.

Kapitel 3
    Diesen Monat richtet Kelly den Literaturkreis aus, und das heißt auch, dass sie das Buch auswählt. Kelly ist keine große Leserin, weshalb das, was wir lesen, keine große Literatur ist.
    Kelly ist die Reiche in der Gruppe, auch wenn es sie wahnsinnig machen würde zu hören, dass ich sie so betitle. Ihr Haus steht in einer jener Siedlungen, wo man an der Einfahrt anhalten und dem Pförtner seinen Namen nennen muss, bevor man eingelassen wird - es ist völlig ausgeschlossen, in dieser Nachbarschaft einfach mal vorbeizuschauen. Allerdings komme ich so oft, dass Kelly irgendwann ein Foto von mir ins Pförtnerhaus gebracht hat - einen Schnappschuss auf ihrer Hochzeit, den sie bei Kinko’s hat nachmachen lassen. Darunter steht: DIESE PERSON IST IN JEDEM FALL EINZULASSEN. Inzwischen kennen alle Pförtner meinen Minicooper, und dieser hier sieht nur flüchtig von seiner Zeitung auf und winkt mich durch. Ich bin keine gefährliche Frau. Das kann jeder auf den ersten Blick erkennen.
    Als ich in die Auffahrt einbiege, steht Marks Auto nicht da, was vermutlich bedeutet, dass er im Club zu Abend isst. Die meisten Ehemänner haben eine Möglichkeit gefunden, am Abend des Literaturkreises nicht zu Hause sein zu müssen. Ich betrete die Küche, wo Kelly gerade Brownies auf einer Kuchenplatte verteilt.

    »Schau sie dir an«, sagt sie. »Genau wie in einer dieser verdammten Zeitschriften, oder?«
    »Du erstaunst mich«, erwidere ich, und es stimmt. Kelly ist wie eine Flüssigkeit - ihre Persönlichkeit nimmt die Form jedweden Gefäßes an, in das man sie gießt. Erst als sie Mark heiratete, hat sie Kochen gelernt, jetzt ist sie wahrscheinlich die beste Gastgeberin unserer Gruppe. Sie gehört zu denen, die bei einer Kochsendung ein bestimmtes Gericht sehen und den ganzen Vormittag damit verbringen, im Biomarkt irgendwelche obskuren Zutaten aufzuspüren. Kelly gibt sich einer Sache mit ganzem Herzen hin. Sie weiß, wie man einen Tag ausfüllt.
    »Wie war es in Phoenix? Du hast von der Reise nicht viel erzählt.«
    »Mit dem Anschlussflug in Dallas ist es richtig eng geworden. Ich war mir nicht einmal sicher, ob mein Gepäck mitkommen würde.«
    Mit dem Tortenheber in der Hand dreht sie sich zu mir um. »Das hast du mir jetzt schon zweimal erzählt. Warum beschleicht mich das Gefühl, dass hinter dieser Geschichte mehr steckt?«
    »Ich erzähle es dir, aber nicht, wenn gleich alle anderen anrücken.«
    Sie nickt, umarmt mich abwesend und läuft hoch, um sich eine saubere Bluse anzuziehen. Ich sitze in ihrer Designerküche mit den gesprenkelten Marmorarbeitsplatten und glänzenden Kräutertöpfen und ertappe mich dabei, wie ich lächele beim Anblick einer Avocado, die in einer hölzernen Obstschale ganz obenauf thront. Kelly hasst den Geschmack von Avocados, liebt aber ihr Aussehen.
    »Ihre Maserung ist fantastisch, nicht wahr?«, fragt
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