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Ein Mann zum Abheben

Ein Mann zum Abheben

Titel: Ein Mann zum Abheben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wright
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sie. Manchmal reibt sie mit einer über meine Wange, um ihrer
Aussage Nachdruck zu verleihen. »Sie sind so glatt und gleichzeitig so uneben.«
    Also kauft sie jede Woche für ihr Obstarrangement eine Avocado und gibt sie am Ende der Woche den Vögeln - was ihren Mann auf die Palme bringt.
    Als Phil und ich einmal hier zum Essen eingeladen waren, nahm Mark die Avocado aus der Schale, fuchtelte damit vor meinem Gesicht herum und sagte: »Weiß du, was diese gottverdammten Dinger kosten?«
    »Ja«, sagte ich. Ich kenne den Preis von allem und jedem in diesem Haus. Wahrscheinlich weiß ich sehr viel mehr darüber als er. »Sie kosten einen Dollar neunundachtzig.«
    »Wusstet du, dass sie sie in den gottverdammten Garten hinauswirft?«
    »Frauen machen seltsame Sachen«, meldete sich Phil hilfreich zu Wort. Er neigt dazu, allem zuzustimmen, was andere Männer sagen - eine Charaktereigenschaft, die mir erst nach unserer Hochzeit auffiel. Hinzu kommt, dass er sich von Mark ein wenig einschüchtern lässt. Das tun wir alle. Er scheint immer am Rande eines Wutanfalls zu stehen, und er verdient so entsetzlich viel Geld.
    »Hm.« Mark schleuderte die Avocado in die Schale zurück. »Sie tut so, als würden sie auf Bäumen wachsen.«
    Fürs Protokoll: Kelly habe ich nicht in der Kirche kennengelernt. Wir kennen uns aus weit zurückliegenden Highschool-Tagen, und sie ist meine beste Freundin, selbst wenn ich schon zu alt bin, um irgendjemanden meine beste Freundin zu nennen, und wir darauf bedacht sind, unsere enge Verbundenheit vor den anderen nicht allzu offen zu zeigen. Aber ich weiß, dass sie es trotzdem wissen. Es scheinen immer zwei Gespräche gleichzeitig stattzufinden, das, welches alle hören, und das, welches - knapp unter der Oberfläche - nur zwischen mir und Kelly abläuft. Diese unausgesprochene
Konversation ist es, die die anderen nervös macht. Sie denken, wir lachen über sie, und manchmal ist es tatsächlich so, meistens versuchen wir allerdings nur, etwas herauszufinden. Es ist, als würden Kelly und ich ein Geheimnis miteinander teilen, an das sich keine von uns so richtig erinnern kann.
    Und dann gibt es da noch etwas anderes. Kelly ist eine Schönheit. Sie ist so schön, dass Leute innehalten, einfach nur um sie an sich vorübergehen zu sehen. Obwohl ich sie schon so lange kenne, vergesse ich das von Zeit zu Zeit, und wenn sie dann auf mich zukommt, benehme ich mich wie diese Fremden auf der Straße. Geschockt vom Blond ihrer Haare, schwindlig von ihrer Größe. Verblüfft über die Leichtigkeit, mit der sie durch die Welt geht. Dann fällt mir ein, dass ich mich seit fünfundzwanzig Jahren frage, wie es möglich war, dass jemand, der so groß, schlank und vollkommen ist, meine Freundin sein wollte. Denn mit vierzehn war ich nicht gerade cool.
    Ohne sie wäre ich nicht einmal Cheerleaderin geworden.
     
    Dort lernten wir uns kennen, beim Probetraining im Sommer, bevor die neunte Klasse losging. Ich war schon während der Junior Highschool zwei Jahre lang Cheerleaderin gewesen, doch da muss man nicht gut sein, um Cheerleader zu sein. Man braucht keine besonderen Gymnastikfähigkeiten oder so, sondern muss einfach nur niedlich und laut sein. Als ich beim Auswahltraining für die Highschool aufkreuzte, war mir sofort klar, dass sich diese Mädchen auf einem ganz anderen Niveau bewegten. Insbesondere Kelly. Sie fiel mir schon am ersten Tag auf. Viele der Mädchen waren gut, doch sie war die Einzige, die alles mit Leichtigkeit absolvierte, sich geschmeidig und lässig zurückfallen ließ und ebenso geschmeidig und lässig ihre Beine in die Luft warf.

    Am dritten Tag brachten sie uns eine Pyramidenformation bei, und wie alle Mädchen, die keine Chance hatten, genommen zu werden, wurde ich in der unteren Reihe platziert. Kelly dagegen sollte ganz nach oben. Während sie an mir hochkletterte, stellte sie einen Fuß auf meinen Oberschenkel, anschließend den anderen auf meine Schulter. Und dann kam jener seltsame Augenblick, in dem ihr gesamter Körper über mein Gesicht glitt. Schließlich stellte sie sich hin, ihre Fußsohlen zitterten auf meinen Schultern. Ich hielt sie an den Fußgelenken fest, doch sobald sie sich aufgerichtet hatte, wozu sie nur wenige Sekunden brauchte, stand sie vollkommen still.
    Sie sprach nicht mit mir, bis es Zeit war, sich fallen zu lassen. Dies ist der gefährlichste Teil jeder Formation. Sie rief herunter: »Du fängst mich doch auf, oder?«, und ich antwortete: »Natürlich.« So

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