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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben
Autoren: Hans Fallada
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dir, und am meesten von mir. Jetzt is det wieda janz wie früha, als wa noch in de Wiesenstraße wohnten und waren nischt wie jute Freunde. Det war doch ne sehr schöne Zeit, Karle, wat?«
    »Das war es! Weißt du noch unseren Kampf um die Engländerin? Lebt sie denn noch? Näht sie denn noch?«
    »Die näht, dadruff valaß dir! – Ja, Karle, nu sag aba mal: wie is det denn nu mit dir? Du bist doch ooch wieder vaheirat? Du trägst doch ’nen Ring!«
    »Ja, ich bin wieder verheiratet.«
    »Kenn ick ihr?«
    »Ja, du hast sie einmal gesehen. Das junge Mädchen, weißt du, das ich in der Nacht gefahren hatte und das mich dann aufsuchte …«
    »Ach, die kleene Dunkle?« Rieke war sehr verwundert. »Komisch is det! Damals hab ick euch ja beide rausgeschmissen, weil ick dachte, ihr hättet wat miteinanda, aba späta hab ick mir jesagt, det war alles bloß eifersüchtije Inbildung. Und nu also doch!«
    »Damals war aber wirklich noch nichts, Rieke. Wir kannten uns damals noch gar nicht. Aber das sind alles alte Geschichten, die wir ruhen lassen können.«
    »Da haste recht. Aba, Karle, nu die Hauptsache, wat wird denn deine Frau zu Karlen sagen? Habt ihr selbst denn keene Kinda?«
    »Nein, Rieke, wir haben keine. Und das macht die Sache leichter, vielleicht macht es sie aber auch schwieriger – ich habe keine Ahnung, wie meine Frau das aufnehmen wird.«
    »Ick vasteh schon, Karle, det kann ooch sehr schmerzlich for ihr sind. Jedenfalls mußte erst mit ihr reden. So überraschen, wie wa dir überrascht haben, darfst ihr nich.«

123. Berlin erobert uns

    Es war erst am späten Nachmittag, als Karl Siebrecht mit seinem Wagen nach Nikolassee hinausfuhr. Sie hatten lange beim Essen zusammengesessen, die Flaus und er. Sie hatten von alten Zeiten gesprochen, und wie es ihnen seitdem ergangen war, und wiederum von alten Zeiten. Jetzt konnten sie über alles reden, es tat nicht mehr weh. Dem Jungen war das langweilig geworden, er war auf die Straße gelaufen und hatte sich die vorbeifahrenden und parkenden Autos angesehen. Wenn er aber eines nicht hatte bestimmen können, so war er wieder hereingekommen und hatte es ganz selbstverständlich dem neuen Onkel beschrieben, und zwar so genau, daß der ihm jedesmal hatte sagen können, was das für ein ausländischer Wagen gewesen war: ein Chrysler oder ein Packard oder ein Graham-Page. Mit diesem neuen Glück im Herzen war Karl Siebrecht dann eilig nach Haus gefahren, er mußte Hertha doch sogleich davon erzählen. Aber dann konnte er es nicht: Hertha saß auf der Terrasse beim Tee mit Besuch. Der alte Eich war gekommen, und Herr von Senden saß auch dabei, und sie plauderten so behaglich an diesem schönen Sommernachmittag, daß eine so aufregende Nachricht gar nicht anzubringen war.
    Der alte Eich, der nun längst wirklich in Pension gegangen war, nahm seinen Schwiegersohn sofort in Beschlag und ließ sich von ihm Auskunft über den Verkehr auf den Bahnhöfen geben, über neu eingesetzte Züge, über den Umfang der Gepäckabfuhr – nach jeder kleinsten Nachricht dürstete er. Dabei wanderte er auf der Gartenterrasse hin und her, den Aufschlag seines Leinenjacketts zwischen Daumen und Zeigefinger, noch gelber, noch kleiner, aber seine Augen schienen noch größer, und in ihnen war Leben genug. Schwiegervater undSchwiegersohn liebten sich noch immer nicht, aber sie ertrugen einander. Sie vertrugen sich sogar – um Herthas willen.
    »Hören Sie«, sagte der alte Eich jetzt zu seinem Schwiegersohn, »wissen Sie auch, wer heute früh bei mir gewesen ist?«
    »Das ist schlecht zu erraten«, sagte Karl Siebrecht lächelnd.
    »Ihr ehemaliger Mitdirektor Bremer! Der ist ein großer Mann geworden, Siebrecht, noch eine Elle größer als Sie!« Und der alte Eich lächelte ein wenig spöttisch.
    »Das gebe ich ohne weiteres zu«, sagte Karl Siebrecht neidlos. »Der Bremer war immer ein tüchtiger Mann. Was wollte er denn von Ihnen?«
    »Er gründet mal wieder eine neue Aktiengesellschaft und hätte mich gerne im Aufsichtsrat gehabt.« Wieder lächelte der alte Eich. »Ich habe aber nein gesagt. Nicht, weil ich seiner Gründung mißtraue – die ist gut –, sondern weil ich noch nicht alt genug bin, die Puppe von Herrn Generaldirektor Bremer zu sein.«
    Hertha Siebrecht plauderte halblaut mit Herrn von Senden. Zwischen den beiden lag auf dem Teetisch eine aufgeblätterte amerikanische Zeitschrift, und als jetzt Herr Eich in Gedanken die Terrasse stumm auf und ab marschierte, rief Hertha ihren
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