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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben
Autoren: Hans Fallada
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gab ihn ihr, und sie las ihn durch. – »Mit dem Datum von gestern«, sagte sie. »Es ist also wirklich so, wie du sagst, Karl. Bitte, gib mir etwas zu schreiben. Ich möchte den Vertrag sofort unterschreiben.«
    »Das geht nicht, Hertha!«
    Sie sah ihn aufmerksam an. »Warum geht es nicht, Karl? Ist unterdes etwas geschehen? Geht es darum nicht mehr?«
    »Ich war nur bei dem Händler«, sagte er ungeduldig, »der mir die meisten Möbel verkauft hat. Die Preise sind unterdes so gefallen, daß er mir nicht mehr als fünftausend geben will.«
    »Ist das der Grund, warum ich nicht unterschreiben soll?«
    »Ja, das ist der Grund.«
    »Gib mir deine Feder, ich unterschreibe. Es ist mir gleichgültig, was die Möbel im Augenblick wert sind. Im Augenblick ist nichts etwas wert, wie Vater sagt.« Sie unterschrieb. »In den nächsten Tagen bekommst du das Geld, ich muß erst mit Vater reden, Karl. Damit ist das erledigt. Ist nun dein Vorschuß bei der Firma abgedeckt?«
    »Völlig. Ich danke dir auch, Hertha …«
    »Karl«, sagte sie und spielte mit dem Füllhalter, ohne ihn anzusehen, »sind damit alle Gelddinge zwischen uns erledigt? Oder ist da sonst noch etwas?«
    »Es ist wirklich alles erledigt, Hertha. Ich fühle mich sehr erleichtert. Alles, was ich auf dem Herzen hatte – du bist sehr großzügig gewesen.«
    »War ich das wirklich? Ich finde es nicht. Diese Verpflichtungen sind nur dadurch entstanden, daß du mit mir zusammenkamst. Du bist sie mir zuliebe eingegangen. Du hastlange genug die Last allein getragen, es war Zeit, daß ich meinen Anteil an ihr übernahm.«
    »Hertha!« rief er und faßte nach ihrer Hand, »warum bist du nicht immer so? Warum bist du oft so fremd? Ich bin so geduldig geworden, ich warte oft so lange …«
    »Still! Dafür ist jetzt keine Zeit. Ich will dir noch eins sagen, es betrifft wieder nur das Geschäft. Du hast jetzt nur noch zwei Gesellschafter: Herrn Gollmer und mich, und ich habe bei weitem die Mehrheit, nicht wahr?«
    »Das ist richtig.«
    »Was auch geschehen mag«, sagte sie, »wenn wir uns eines Tages fremd oder gar feindlich gegenüberstehen sollten, laß keine deiner Entscheidungen dadurch beeinflußt werden, daß ich einen Anteil an deinem Geschäft habe. Das hat nichts mit uns zu tun, daraus wird dir nie Schaden entstehen, selbst wenn Vater es wollte. Dafür bürge ich dir, ich selbst, verstehst du?«
    »Warum sagst du mir das, Hertha?« rief er. »Warum sprichst du so mit mir? Wir nehmen doch keinen Abschied voneinander! Wir trennen uns doch nicht!«
    »Warum ich das sage? Weil du dich frei fühlen sollst, ganz frei! Einmal habe ich dich gebunden, aber jetzt lasse ich dich frei! Du sollst gehen und zurückkommen können, wie du willst. Ich werde hier warten, aber du mußt nicht zurückkommen, das weißt du doch.«
    »Aber ich will nicht von dir gehen, Hertha, das weiß ich!«
    »Weißt du es wirklich?« Sie war aufgestanden, sie legte sanft ihre Hand auf seine Schulter. »Geh, Karl«, sagte sie. »Geh. Laß Ilse Gollmer nicht zu lange warten.« Sie nickte ihm noch einmal zu, dann ging sie langsam die Treppe hinauf, Stufe um Stufe.

120. Man kehrt heim

    Die Gartenpforte knarrte, leise knirschte der Kies unter seinen Füßen, als er den Weg um das Haus herumging, diesen Weg, den er in Tagen der Verlassenheit so oft gegangen war.Damals hatte er nie jemanden in diesem Garten getroffen, diesmal wurde er erwartet. Er ging schräg über den Rasen, in der Laube stand Ilse Gollmer auf. »Es ist spät geworden, Karl.«
    »Ja, es ist spät geworden, Ilse.«
    Sie sahen im Dämmern der Nacht einander in die Gesichter, im Dämmern versuchten sie zu erraten, was der andere fühlte, aber sie sahen nur Dämmern. Lange waren sie still. Dann sagte Ilse: »Ich fühle es schon, du kommst, um Abschied zu nehmen.« – Er schwieg. – Sie fragte leise: »Ist es der gestrige Abend?«
    »Nein, es ist der gestrige Abend nicht.«
    »Es gibt solche Abende«, sagte sie, »an denen ist man wie wahnsinnig. Ich verstehe nichts von dem mehr, was wir gesagt und getan haben. Verstehst du noch etwas davon?«
    »Nein«, antwortete er. »Wir wollen den gestrigen Abend ausstreichen. Er ist nie gewesen, Ilse.«
    »Nie!« antwortete sie. Aber rascher fuhr sie fort: »Soll denn nun wegen des gestrigen Abends alles zwischen uns entzwei sein, was so lange schweigend bestand? Du mußt es doch auch gefühlt haben, daß ich dich schon lange liebte, Karl.«
    »Ich bin zu dir gekommen, um Abschied zu nehmen,
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