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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben
Autoren: Hans Fallada
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im Kopf haben! Und überhaupt: Du bist erst sechzehn, und sie kann kaum vierzehn sein …!«
    »Was ihr auch immer gleich denkt!« rief der Junge zornig. »Wir sind nicht so, wie ihr – denkt!«
    »Wir denken schon das Richtige – leider!« antwortete der Onkel streng. »Überhaupt, eine Pastorentochter steht viel zu hoch für dich«, erklärte er. »Du kannst froh sein, wenn dich irgendwer in die Lehre nimmt!«
    »Das kannst du!« stimmte Adam zu. »Für einen Lehrling bist du mit deinen Sechzehn zu alt, und für die Schule ist kein Geld da!«
    Aber Karl Siebrecht achtete nicht mehr auf ihr Geschwätz, er war nur froh, daß sie nicht mehr von Erika Wedekind sprachen. Mit Abneigung sah er auf die nüchternen Backsteinfassaden der märkischen Kleinstadt, auf die dürftigen Ladenauslagen der kleinen Krämer, wie der Onkel Ernst Studier einer war. Dreimal war er mit dem Vater in Berlin gewesen, immer nur auf ein paar Tage, aber doch hatte ihn die Großstadt bezaubert. Der Vater hätte gar nicht erst zu sagen brauchen: »Mach es nicht wie ich, Karl, setz dich nicht in einem solchen Nest fest. Alles wird klein und eng dort. Hier hat man Platz, hier kann man sich rühren.« Oh, er wollte sich rühren, die sollten ihn nicht halten können!
    Vor dem Hotel »Hohenzollern« stand wartend ein ganzer Trupp der Leidtragenden. »Das hab’ ich mir doch gedacht!«rief Fritz Adam. »Ja, kommt nur alle ’rein, meine Alte hat das Grogwasser schon heiß! Das wird uns guttun! – Du darfst auch mitkommen, Karl! Heute darfst du ausnahmsweise ein Glas Grog trinken!«
    »Nein, danke!« sagte Karl Siebrecht. »Ich geh schon nach Haus!«
    »Wie du willst!« sagte der Hotelier etwas beleidigt. »Viel Grog wird dir in den nächsten Jahren bestimmt nicht angeboten!«
    Und der Onkel Studier: »Um fünf sind wir dann alle bei dir und besprechen deine Zukunft. Sage der Minna, sie soll uns einen guten Kaffee kochen.«
    Hinter der nächsten Hausecke wartete Karl Siebrecht, bis sie alle in Adams Hotel verschwunden waren. Dann lief er im Trab zum Friedhof zurück. Aber sosehr er sich dort auch umsah, es war alles leer und still. Seine kleine Freundin war schon gegangen. So schlich er leise an das Grab. Es lag, wie er es verlassen, die Totengräber waren noch nicht dagewesen. Er sah hinab auf den Sarg. Über der hinabgeworfenen Erde lagen drei Blumen, die sie gebracht, drei weiße späte Astern. Zwischen Schauder und Verlangen kniete er an des Vaters Grab nieder, beugte sich tief in die Gruft und nahm sich eine Blume vom Sarg.

2. Die Zukunft in der Küche

    In der Stube redeten sie immer lauter; sie wurden wohl über seine Zukunft nicht einig. Der Junge starrte aus dem Küchenfenster in die vom Wind durchpfiffene nasse Novembernacht. Hinter seinem Rücken wirtschaftete die alte Minna mit ihren Töpfen am Herde. Jetzt schraubte sie den Docht der Petroleumlampe niedriger, daß die Küche fast im Dämmer lag. Sie sagte: »Es ist bald Abendessenszeit, soll ich dir Stullen machen, Karl?«
    »Ich kann nicht essen – wenigstens so lange nicht, bis über meine Zukunft entschieden ist!«
    »Da wird nicht viel zu entscheiden sein! Du wirst Verkäufer werden müssen bei deinem Onkel Ernst!«
    »Nie, Minna! Das nie! Hast du wirklich gedacht, ich würde bei Onkel Ernst unterkriechen und in seinem Kramladen grüne Seife verkaufen? Nie – nie – nie!«
    »Aber was dann, Karl? Du weißt, es ist kein Pfennig da. Wenn alles verkauft ist, reicht es vielleicht gerade für die Schulden. Was willst du denn anfangen?«
    »Ich gehe fort, Minna. Minna, verrat mich nicht, ich gehe nach Berlin!«
    »Das werden die nie erlauben!«
    »Ich gehe, ohne sie zu fragen!«
    »Aber was willst du denn in Berlin anfangen? Du hast nichts gelernt, du bist nur ein Schüler gewesen, du bist körperliche Arbeit nicht gewohnt!«
    »Ich bin stark, ich bin stärker als alle, Minna. Ich will raus hier aus der Enge! – Ich hasse hier jeden Stein, jedes Haus, jedes Gesicht – nur dein gutes, altes Gesicht nicht, Minna! Ich will fort von dem allen, es hat den Vater kaputtgemacht, ich will nicht, daß es mir ebenso geht!«
    »Du weißt nicht, Karl, wie schwer ein Leben ist, in dem man ganz auf sich allein gestellt ist!«
    Karl Siebrecht rief mit heller Stimme: »Es soll ja schwer sein, Minna! Ich will gar kein leichtes Leben haben. Ich will viel werden, ich fühle dazu die Kraft in mir!«
    Unbeirrt fuhr das alte Mädchen fort: »Und dann das Leben in der großen Stadt! Du, der nie ruhig sitzen
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