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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben
Autoren: Hans Fallada
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elektrische Lampen beleuchteten die Männer und die Kofferberge. Wie immer, wenn Karl Siebrecht hierherkam, schüttelte er den Kopf. »Hier herrscht ja wieder mal eine Affenhitze!« sagte er mißbilligend. »Wieviel Grad haben wir denn, Kiesow?«
    »Neunundzwanzig Grad im Schatten, Herr Direktor«, sagte Kiesow. »Eigentlich müßten wir hitzefrei kriegen wie die Kinder in der Schule.« Er sah seinen ehemaligen Feind und jetzigen Arbeitgeber mit ruhigem Lächeln an.
    »Sie sind ja heute so vergnügt, Kiesow?« fragte er. »Was ist denn los mit Ihnen?«
    »Ich geh morgen in Urlaub, Herr Direktor, mir kann die Hitze piepe sein. Ich mach an die See, mit meiner ganzen Familie, für drei Wochen.«
    »Ist Herr Kunze drin?« fragte Karl Siebrecht mit einem Deuten des Kopfes nach dem Innern des Schalterraums.
    »Jawohl, Herr Direktor, der schimpft schon eine halbe Stunde herum. Dem ist auch zu heiß!«
    Karl Siebrecht trat in den Innenraum, wo, auch bei elektrischemLicht, zwei Buchhalter in Hemdsärmeln schrieben. Herr Kunze, der über Abrechnungen am Tisch gesessen hatte, hob den Blick: »Neunundzwanzig Grad, Siebrecht!« sagte er vorwurfsvoll.
    »Ich hab’s auch schon gemerkt«, antwortete Karl Siebrecht lachend und hängte seinen Staubmantel an einen Haken. »Man möchte wahrhaftig die Kleider dazuhängen! Aber das wird jetzt auch anders. Wir haben die Bewilligung: wir brechen hinten durch, bekommen noch einen Raum dazu, Fenster und Luft.«
    »Gottlob!« sagte Kunze. »So war’s auch nicht mehr zu machen!«
    »Und sonst? Wie steht’s hier? Ich wollte mich doch noch mal persönlich umsehen, ehe ich in Urlaub – Aber was ist denn das?« unterbrach er sich und sah staunend einen braungebrannten Marineblauen in der Tür an.
    Einen Augenblick betrachteten sich die beiden ehemaligen Freunde schweigend.
    Dann machte Karl Siebrecht eine Handbewegung. »Komm herein zu mir, Kalli!« sagte er.
    »Meine Frau und mein Junge warten da hinten«, antwortete Kalli.
    »So komme ich zu euch, Kalli«, sagte Karl Siebrecht sofort. »Wenn es euch recht ist, heißt das.«
    »Natürlich ist es uns recht, Karl. Wir sind eigentlich nur nach Berlin gekommen, um dich zu sehen. Das erste Mal nach all den Jahren.«
    »Nun, du wirst finden, daß sich Berlin ein wenig verändert hat. – Einen Augenblick, Kalli, ich hole nur Mantel und Hut.«
    »Ist schon recht, Karl, ich warte solange.«
    Aber er hatte kaum zu warten, Siebrecht war sofort zurück. »Ich freue mich, Kalli, daß ich dich sehe! Immer noch das alte, gute, getreue Gesicht. Wie die Zeiten von damals wieder wach werden, wenn ich dich so ansehe! Denkst du noch manchmal an die alten Zeiten, Kalli?«
    »Ja, wir denken noch oft daran zurück, Rieke und ich.«
    »Wo hast du sie denn? Ich muß doch Rieke auch gleich guten Tag sagen! Und einen Jungen habt ihr? Ich habe leider noch immer keine Kinder. Wo sind sie also?«
    »Irgendwo da hinten.«
    »So laß uns doch zu ihnen gehen! Warum stehen wir hier noch? Ich bin so gespannt –«
    »Einen Augenblick, Karl.« Kalli berührte ihn an der Schulter. »Wenn du jetzt Rieke und den Jungen siehst …«
    »Ich weiß doch, Kalli! Selbstverständlich ist alles vergeben und vergessen, das heißt, ich hatte wohl nichts zu vergeben, Rieke schon eher.«
    »Ach nein, das meine ich nicht. Das ist natürlich alles in Ordnung. Aber wenn du jetzt Rieke und den Jungen siehst, ich meine besonders unseren Jungen – gerade ich hänge besonders an ihm … Wir haben noch mehr Kinder … Aber gerade der Junge …«
    »Nun, was ist, Kalli? So kenne ich dich gar nicht, du bist ja fast verlegen. Selbstverständlich hängst du besonders an dem Jungen, er ist ja wohl euer Ältester? Was willst du mir denn sagen?«
    »Ja, er ist der Älteste, und ich glaube, ich sage dir gar nichts!« Kalli Flau hatte sich jetzt entschlossen, seine Verlegenheit war gewichen, er war wieder ruhig und sicher geworden. »Komm, Karl, du wirst schon sehen …«
    Ein wenig verwundert folgte ihm Karl Siebrecht, ohne jede Ahnung von dem, was ihn erwartete. Es zeigte sich, daß Rieke und ihr Sohn hinter dem Zeitungskiosk gestanden hatten. »Ich freu mich, Rieke«, sagte Karl Siebrecht und schüttelte ihr die Hand. »Das war eine vernünftige Idee, daß ihr mich mal besucht! Ganz wie sonst siehst du aus, Rieke, völlig wie früher. Nur frischer und so braungebrannt! Damals warst du immer blaß! Ach, Rieke, mach endlich den Mund auf. Ich muß doch hören, ob du noch so redest wie früher!«
    »Ja,
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