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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben
Autoren: Hans Fallada
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Karl«, antwortete Rieke lächelnd. »Det Berlinisch, det is waschecht bei mir, det is richtig indanthren. Du hast et nich weggekriegt, und die aufs Land kriegen et ooch nich weg. Detbleibt. – Aba Fett haste ooch nicht anjesetzt, Karl. Haste denn so ville zu tun? Und imma noch mit det olle Jepäck, det dir det nich üba wird!«
    »Nein, das wird mir nicht über. Es wächst und wächst, jetzt fahren wir schon bald mit hundert Wagen!« Er wandte sich zu dem Jungen, der halb hinter der Mutter gestanden hatte. »Und das ist also euer Ältester. Guten Tag, mein Sohn –« Er hielt plötzlich inne, so erschrocken war er. »O Gott!« sagte er noch halblaut, und dann verstummte er ganz, den Jungen betrachtend. Denn der, der da vor ihm stand, das war er selbst, er selbst, wie er mit zehn, elf Jahren ausgesehen haben mußte. Dasselbe blonde Haar, der gleiche lange Kopf mit dem schmalen Gesicht und den etwas kühlen blauen Augen, der trotzige Mund mit den aufgeworfenen Lippen … »O Gott!« hatte er gesagt und war verstummt, ganz in die Betrachtung des Jungen versunken.
    Die beiden, Rieke und Kalli, beobachteten ihn stumm. Der Junge sah ihn aufmerksam und kühl an und befreite dann seine Hand aus der des fremden Herrn, der sie gar nicht wieder loslassen wollte. »Kalli«, sagte Rieke dann, »sei so jut und hole mit Karlen det Jepäck und beleg jleich Zimma im Hotel hier jerade jejenüba. Ick jeh mit Karlen – jetzt meene ick Karl Siebrechten – erst mal een Stück, saren wa in de Eichendorffstraße. Ick möchte den ollen Laden mal wiedasehen – wenn dir det recht is, Karl, heeßt det?«
    »Natürlich, Rieke, das ist mir schon recht …«
    »Na, denn uff Wiedasehn, Kalli. Hilf Vata’n, Karle, und sieh, det ihr een jrosset Zimma kriegt. Da kannste bei uns uff de Chaise schlafen und broochst dir nich zu fürchten, so alleene in Berlin!«
    »Ich fürchte mich schon nicht vor Berlin, Mutter! Ich will mir alle Autos ansehen – kennen Sie alle Marken, auch die ausländischen?« fragte der Junge Karl Siebrecht.
    »Doch, die kenne ich alle, und ich werde sie dir auch alle zeigen, Karl«, antwortete Karl Siebrecht, dem noch immer war wie halb im Traum.
    »Haste jehört?« fragte Rieke, als die beiden gegangen waren, »er spricht ganz richtig deutsch, nich wie seine Mutta, da druff hat Kalli imma jesehen.« Leiser setzte sie hinzu: »Und er hat ooch jenau deine Stimme, Karle.«
    »Wann ist der Junge geboren, Rieke?« fragte Karl Siebrecht. Sie waren jetzt aus dem Bahnhof getreten und gingen auf die Eichendorffstraße zu. Karl Siebrecht konnte Rieke nicht ansehen, er blickte gerade vor sich hin. Er war so erregt, er war kaum seiner Stimme mächtig. Er hatte einen Sohn! Seit Jahren hatte er einen Sohn, und er hatte nichts davon gewußt! Es mußte sein Sohn sein, er fühlte es!
    »Er ist so um drei Monate nach de Scheidung jeboren, Karle«, sagte Rieke jetzt. »Da waren wa schon bei Tante Bertha.«
    »Und warum habt ihr mir kein Wort davon gesagt, Rieke?« sagte Karl Siebrecht ganz leise. »Mein ganzes Leben wäre wohl anders geworden, wenn ich gewußt hätte …«
    »Ja, vielleicht biste jetzt böse uff uns, Karle«, fing Rieke Flau wieder an, »det wir det so jeschoben haben. Aba det kannste dir doch denken: ick hatte so nen mächtigen Rochus uff dir und wollte nischt hören und sehen von dir. Und denn, als ick wieda friedlich wurde, war det eijentlich zu spät.«
    »Oh, ich verstehe euch schon, Rieke«, antwortete Karl Siebrecht, der bei ihrer klaren, vernünftigen Art auch ruhiger geworden war. »Wahrscheinlich habt ihr alles ganz richtig gemacht. Aber es war eben doch ein Schreck für mich, Rieke, nicht wahr?«
    »Aba es war doch een juter Schreck, Karle, wat?«
    »Doch, ein guter Schreck, Rieke, ja. Er sieht mir so ähnlich …«
    »Und er is et ooch, innerlich, meene ick, Karl. Janz anders wie unsre andern Jöhren. Drei haben wa noch, zwei Mädels und eenen Jungen. Aba Karl is viel schwieriger, der is jerne for sich und red’t ooch nich jerne, und imma über de Bücha. Der taugt nich for ’nen Hof, Karle!«
    »Und darum –?«
    »Ja, Karle, darum ham wa’n jetzt endlich zu dir jebracht. Kalli meente ooch, du müßtest ihn dir mal ansehn. Wat sein Lehrer is, der sagt ja, er muß uff ’ne höhere Schule. Er hat die Jaben.«
    »Ihr wollt ihn mir also ganz lassen? Ach, Rieke, ich sehe, ihr seid doch meine guten Freunde geblieben!«
    »Wat sollten wa ooch nich? Wat jewesen is, det is vorbei und vajessen, det war een Irrtum von
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