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Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord
Autoren: Jakob Arjouni
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hörte interessiert zu, wenn geredet wurde. Wieviel sie verstand und was sie darüber dachte, war nicht auszumachen. Als Weidenbusch sich gesetzt hatte, begann ich zu erzählen. Von dem Ausweisschwindel, von Charly und Höttges und von Manne Greiner. Am Anfang sprach ich Sri Dao direkt an, aber mit zunehmendem Gefühl, gegen eine Wand zu reden, beschränkte ich mich auf Weidenbusch.
    »… es war also doch so, wie ich am Anfang geglaubt hatte: Frau Rakdee hat am Bus ihren ehemaligen Mann und Zuhälter wiedergesehen, nur war das Zusammentreffen nicht beabsichtigt, sondern ein Fehler. Vermutlich hat Charly die Telefonate erledigt und Manne zu den Treffpunkten geschickt, ohne ihm die Namen der Flüchtlinge mitzuteilen. Die Überraschung war somit beiderseitig, und um den anonymen Ablauf der Aktion nicht zu gefährden, bedeutete es für die Bande, Frau Rakdee verschwinden zu lassen. Was sie mit ihr vorhatten, weiß ich nicht, aber während die Villa geräumt wurde, blieb Manne mit ihr zurück.«
    Ich nahm einen Schluck Tee. Hätte Weidenbusch nicht von Zeit zu Zeit niedergeschlagenes Stöhnen von sich gegeben, man hätte meinen können, er sei mit aufgerissenen Augen im Sitzen ohnmächtig geworden. Dagegen spielte Sri Dao gelangweilt im Zucker.
    »… tja, und als ich eintraf, war nur noch Manne da: tot, und äußerlich in einem Zustand, in dem man sich normalerweise zu zweit befindet. Ob er Frau Rakdee vergewaltigt hat oder sie ihn verführt - jedenfalls hat sie’s hingekriegt, ihm dabei das Genick zu brechen.«
    Weidenbusch sah mich kurz an, dann beugte er sich vor und stützte die Stirn in die Hände. Sri Dao folgte seinen Bewegungen und schien überrascht.
    »Danach hat sie Sie angerufen, hat aber noch nichts vom Mord erzählt, woraufhin Sie mich anriefen. Leider war ich nicht zu Hause. Bei unserem nächsten Telefonat wußten Sie dann, was passiert war, und wollten mich von der Suche abbringen. Wie gesagt, ich habe Ihnen den Rückzug auch fast geglaubt. Als Sie dann aber am Flughafen aufkreuzten, um nochmal hautnah vorzuführen, wie wenig Sie über Frau Rakdees Aufenthaltsort wissen, wurde mir klar, entweder jemand setzt Sie unter Druck - wofür es keinen Anhaltspunkt gab - oder Sie haben eigene Gründe, mich an der Nase herumzuführen. Na ja, und so weiter. Alles in allem eine gut funktionierende Theorie, aber nicht mehr. Es gibt keine Beweise, und ich werde keine suchen. Nicht mal eine Leiche gibt es. Ich habe sie vergraben, weil ich von Anfang an vermutete, beim Mörder kann es sich nur um einen Flüchtling handeln, der sich befreit hat. Und dazu würde ich sagen, Notwehr. Daß es in dem Fall vielleicht noch andere Motive gab, spielt keine Rolle.« Und nach einer Pause: »Jetzt verstehen Sie, warum ich meinte, Ihnen wird nichts passieren.«
    Aber er verstand nicht, jedenfalls nicht sofort. Nach wie vor hielt er sein Gesicht verborgen. Daneben betrachtete Sri Dao ihre im Schoß gefalteten Hände. Ich nahm meine Tasse und lehnte mich zurück. Die ersten Bienen summten im Zimmer, und von der Straße hörte man Kinderlachen und Balldoppsen. Vielleicht würde sich Elsa Sandmann von mir zum Essen einladen lassen.
    Langsam hob Weidenbusch den Kopf. »… aber warum sind Sie hergekommen und haben uns das alles erzählt, wenn Sie…«
    »… wenn ich nichts unternehmen will? Erstens sollte ich Frau Rakdee finden, dafür wurde ich bezahlt. Und ich habe sie gefunden. Zweitens bin ich zu lange mit der Geschichte umgegangen, um sie nicht wenigstens einmal loszuwerden. Und drittens, ich mag nicht, wenn man mich an der Nase herumführt. Außerdem…« Ich zog meine Brieftasche raus und entnahm ihr drei TausendmarkScheine. »… Ihr Geld.«
    »… ach!« Dann winkte er ab. »Nein, nein, behalten Sie’s. Bitte. Ich weiß sowieso nicht, wie ich Ihnen danken soll… Falls das das richtige Wort ist, ich meine…«
    Seine Stimme war immer noch dünn vor Angst, und ich fragte mich langsam, was ihm fehlte, damit er wieder in Schuß kam. Vielleicht sollte ihn seine Freundin mal in den Arm nehmen, dachte ich. Statt dessen beobachtete sie ihn seit einer Weile seltsam kühl, als habe er irgendwas falsch gemacht. Dabei machte er gar nichts, sondern stotterte nur rum. Ich fand, für eine Mörderin, die nicht ins Gefängnis wandert und über ihre Tat nicht sonderlich betrübt schien, hätte sie ruhig ein bißchen umgänglicher sein können. Ich nahm einen Tausender zurück, sagte »Stimmt so« und wollte gehen. Aber als ich nach den
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