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Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord
Autoren: Jakob Arjouni
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zerlegen es in Atome.
    »Nicht, daß eine türkische Herkunft für ein Mietverhältnis bei uns irgendeine Bedeutung hätte. Und da sogar die deutsche Staatsbürgerschaft vorliegt… trotzdem möchte man natürlich wissen, mit wem man es zu tun hat.«
    Er schlägt das Heftchen zu und gibt es mir zurück.
    »Ich hätte eher auf den arabischen Raum getippt. Ihr Profil, die Art - der Türke im allgemeinen ist anders.«
    »Wie ist er denn so?«
    »Kleiner, würde ich sagen, asiatischer, irgendwie unumgänglicher - eben anders.«
    Hat er nun einen Büroraum für mich oder nicht. Ich räuspere mich und frage. Er weicht aus, kommt mit Floskeln und schreibt sich schließlich meine Telefonnummer auf einen Zettel, der aussieht, als gehöre er nirgendwo anders hin als in den Papierkorb. Ich verabschiede mich. Eine Woche später werde ich von einer Sekretärin abgewimmelt.
    Ich fegte Kippen und tote Insekten vom Fensterbrett, lehnte mich mit dem Rücken zur Straße dagegen und betrachtete, die Arme verschränkt, mein Büro. ›Ein bißchen aufräumen, den Teppichboden auswechseln und ein frischer Kalender‹, dachte ich, ›das könnte die Arbeitsplatzqualität enorm steigern.‹
    Als ich das Kissen vom Hörer nahm, hatte Herr Kunze aufgelegt. Im nächsten Moment klingelte es an der Tür. Ich drückte den Summer. Die Tür öffnete sich, und eine bunte Kugel schob sich herein. Braune Bommelschuhe, weiße Hose, roter Gürtel, blau-weiß gestreiftes Hemd, grüne Krawatte mit Pünktchen, blauer Mantel, dicker Bauch, kurze Beine. Von Kopf bis Fuß auf Lebenslust eingestellt, blieb er neben der Tür stehen und musterte entgeistert das Büro. Er stand einfach da und guckte; und je länger er stand, desto weniger schien ihm einzuleuchten, was er hier zu suchen hatte. Schließlich fragte ich: »Kann ich Ihnen helfen?«
    Vorsichtig, als habe er Angst, seine Schuhe könnten schimmeln, durchquerte er den Raum, blieb vor meinem Schreibtisch stehen und fuhr sich durch die Haare. Dann rückte er die rosa Brille zurecht und fiepte: »Mein Name ist Weidenbusch, ich will Sie engagieren.«
    Er fiepte tatsächlich. Entweder drückte sein Bauch von unten auf die Stimmbänder, oder die Krawatte war zu fest gebunden, jedenfalls fiepte er wie ein Welpe. Alles in allem machte er den Eindruck eines durchschnittlichen Westendaffen, der Rotwein schlürft, ohne Bier von Fanta unterscheiden zu können, gebügelte Unterhosen trägt und meint, rosa Brillen und bunte Uhren machten Charakter. Was ihm fehlte, war ein gepflegter Vier-Tage-Bart, und dafür konnte er nichts.
    »In welcher Angelegenheit?«
    »Nun…« Er räusperte sich. Und nach wiederholtem Seitenblick: »… ich störe Sie nicht zufällig beim Umzug?« Ein Wink mit dem Betonpfeiler.
    »Nein«, brummte ich, lächelte ihn an, nahm eine leere Zigarettenschachtel, knüllte sie zusammen und warf sie durchs Zimmer.
    »Das ist so mein Stil.«
    »Ach.«
    Er versuchte zurückzulächeln. Es gelang ihm halbwegs, und als wir uns eine Weile angelächelt hatten und es aussah, als könnten wir gar nicht mehr damit aufhören, fragte ich: »Aber Sie sind wohl kaum gekommen, um mit mir über Büroeinrichtung zu diskutieren?«
    »Nein, natürlich…«
    Ich wies auf den Besuchersessel. Wenn man mich mochte, konnte man ihn antik nennen.
    »Setzen Sie sich.«
    Er drehte sich um, machte zwei Schritte, sah den Sessel und hielt inne.
    »… wenn Sie natürlich lieber im Stehen reden.«
    Er nickte dankbar: »Im Stehen redet es sich tatsächlich oft viel besser.«
    »Na schön. Dann mal raus mit der Sprache. In ’ner halben Stunde hab ich Termin bei der Maniküre.«
    Ich hätte nichts Selbstverständlicheres sagen können.
    »Entschuldigen Sie. Also…«, seine Augen wurden groß wie Pflaumen, »… es handelt sich um Entführung.«
    »Wer oder was?«
    »Meine Freundin.«
    »Wann?«
    »Heute.«
    Ich sah auf die Uhr.
    »Heute?« Er nickte.
    »Auf die Idee, sie könnte zum Frühstück verabredet sein, oder beim Frisör, sind Sie aber schon gekommen?«
    »Der Fall liegt anders - ich meine, ich weiß, wo sie ist.«
    »Ach, das wissen Sie.« Ich lehnte mich zurück. Irgendwie wollte unser Gespräch nicht recht in Gang kommen.
    »Nicht gerade üblich bei ’ner Entführung.« Er schüttelte den Kopf.
    »Sie verstehen mich nicht. Ich weiß, was sie vorhatte, und… es ist nämlich so…«
    Wieder faßte er sich an die Brille. Er machte sich überhaupt dauernd an ihr zu schaffen, wenn er nicht am Schlips zupfte oder sich durch die
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