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Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord
Autoren: Jakob Arjouni
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dem Häuschen gebracht. Wie wär’s, Sie geben mir Ihre Adresse, und ich hol den Wagen ab?«
    Anstatt die Adresse zu nennen, blies sie Rauch in die Muschel. Im Hintergrund hörte man Straßengeräusche und das Klingeln der Trambahn. Ich stellte mir vor, daß sie im Bademantel vor einem Teller mit Hörnchen am Fenster saß und wie ihre Haare im Sonnenlicht glitzerten.
    »Wann?«
    »Heute abend.«
    Sie überlegte. Eine Tasse klirrte. »So zwischen sieben und acht?«
    Ich sagte »Ja«, und sie nannte eine Straße in Sachsenhausen. Dann verabschiedeten wir uns und legten auf. Telefonieren, fand ich, stand Elsa Sandmann ebenso gut wie eine verrottete Rückbank. Und wer kann schon telefonieren, geschweige denn mit Unbekannten, gewöhnlich eine Kette von Mißverständnissen, Gelächter im falschen Moment und Pausen, in denen keiner weiß, wer mit Sprechen dran ist.
    In der Küche lehnte ich mich wieder aufs Fensterbrett, bis der Briefträger kam und einen großen braunen Umschlag brachte. Ich riß den Klebestreifen ab und zog einen rosa Aktendeckel heraus. Mit schwarzem Filzstift stand darauf zu lesen: RAKDEE, SRI DAO. Unterbrochen von unwichtigem Zettelkram, bis hin zum InterpolComputerauszug, der ›keine Erkenntnisse‹ meldete, enthielt die Akte folgende Eintragungen: ›Frau Sri Dao Rakdee ist am zweiundzwanzigsten Juni neunzehnhundertachtundachtzig mit einem Touristenvisum in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.
    … hat am zweiundzwanzigsten September eine Visum Verlängerung zwecks Heirat mit Herrn Manfred Greiner beantragt.
    Erneute Visumverlängerung am zweiundzwanzigsten Dezember neunzehnhundertachtundachtzig, da sich die Zusendung der nötigen Heiratsunterlagen aus Frau Rakdees Geburtsort Tschiangmai verzögert hat.‹
    Es war einer dieser frisch in Bonbonfarben gestrichenen Altbauten, vor denen man ein Kreuz schlägt und froh ist, den eigenen Fenstern gegenüber graue Fassaden zu haben. Leuchtend türkise Streifen auf gelbem Grund, die Fenster rosa gerahmt. Damit nicht genug, strotzte jeder Balkon vor Blumen-  und Palmentöpfen, Luftballons, Kinderspielzeug, das sich im Wind drehte, und allerhand anderem Firlefanz. Eine Mischung aus ›Anarchie ist machbar, Herr Nachbar‹ und ›Unser Dorf soll schöner werden‹.
    Ich ging zur Haustür, die sich an der Seite unter einem Glasspitzdach befand, in den Eingangsflur. Ein riesiger Kronleuchter hing von der Decke, und über die Treppe lief roter Teppich. Im ersten Stock befand sich ein Werbebüro, im zweiten eine Filiale der Partei mit Herz für Bäume. Die Tür war mit Aufklebern übersät: Nordsee, Atomkraftwerke, Fahrräder, Frieden, Mandela, Palästinenser, Nicaragua, Kinder, Behinderte, Schwule, Ausländer, schwule Ausländer, Frauen, schwangere Frauen, alleinstehende Frauen, Frauen in Häusern… Die Tür wirkte wie eine Mischung aus Madonnenbild und Guten-ZweckSammelbüchse, in die man nichts reinstecken mußte. Ein längerer Blick genügte, um Absolution für unsoziales Handeln der letzten und moralischen Vorschuß für die nächsten Wochen zu erhalten. Selber solche Aufkleber an Tür oder Auto zu haben müßte etwa hundert abgeleisteten Avemarias entsprechen.
    Ich lief in den dritten Stock und drückte die Klingel. Nichts rührte sich. Ich drückte nochmal. Als ich spürte, wie sich jemand heranschlich, stellte ich mich aus dem Spionblickwinkel. Nach einer Pause klingelte ich ein drittes Mal, worauf es dann irgendwann leise fiepte:. »Wer ist da?«
    »Kayankaya. Machen Sie auf.«
    »Was wollen Sie?!«
    »Mit Ihnen reden.«
    »Es gibt nichts mehr zu reden.«
    »Da bin ich anderer Meinung. Und wenn Sie nicht aufmachen, erzähle ich Ihnen alles durch die Tür.« Ich hob die Stimme. »Nur, daß es dann das ganze Haus mitkriegen würde, und ich weiß nicht…«
    Die Tür öffnete sich, und Weidenbusch stand im hellblauen Frotteeschlafanzug vor mir. Sein Gesicht war gerötet. »Was fällt Ihnen ein!«
    Ich tippte mir an die Stirn: »Morgen.«
    Dann schob ich mich an ihm vorbei in den Flur und gelangte über glänzendes Parkett in ein großes helles Zimmer. Weidenbusch kam zeternd hinterher: »… das ist Hausfriedensbruch! Als Detektiv müßten Sie das wissen!«
    Dann blieb er an der Tür stehen und ordnete nervös die Frisur. Das Zimmer war ringsrum mit einer Sorte Kunst bestückt, als hätte sich jemand eines Morgens überlegt, sein Frühstücksbrettchen weiß anzumalen und an die Wand zu nageln. In der Mitte stand ein seltsam verkanteter Tisch,
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