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Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord
Autoren: Jakob Arjouni
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drumherum Stühle, wie Blitze geformt. Und es gab haufenweise Lampen. Jede für sich erinnerte an alles mögliche, nur nicht an ein Gerät zum Lichtmachen. Sonst glaubte ich den Raum leer, bis ich beim kurzen Rundgang, verschämt hinter der Tür versteckt, einen Fernseher entdeckte. Die Fenster standen offen, und von irgendwoher tönten asiatische Volksgesänge.
    Ich wandte mich um. »Kann man da drauf auch sitzen?«
    Er begriff nicht gleich, um dann aber pikiert zu versichern: »Natürlich. Sie sind stabil wie ein normaler Stuhl. Ein Entwurf von meinem Cousin.« Und mit blasierter Fassade: »Leider sieht man sie inzwischen schon in jeder zweiten Wohnung.« Hinter der Fassade begannen die Ratten das Schiff zu verlassen.
    »Muß ich wohl immer in die ersten gehen.«
    Ich setzte mich auf einen der Blitze, holte Zigaretten und Streichhölzer raus und legte beides auf den Tisch.
    »Ich habe Sie nicht zum Bleiben aufgefordert.«
    »Danke, aber ich brauche keine Aufforderung. Sie scheinen ziemlich innige Familienverhältnisse zu haben. Die Möbel vom Cousin, über die Freundin entscheidet die Mutter…« Ich sah ihn an. »Aber das war ja gelogen.«
    Mit schnellen Schritten kam er zum Tisch. »Ich sagte Ihnen bereits am Flughafen, Sie sind entlassen. Und falls Sie auf mehr Geld spekulieren…« Er nahm meine Rauchutensilien und warf sie mir in den Schoß, »… der Scheck ist abgeschickt. Mehr gibt’s nicht.«
    »Wo haben Sie denn auf einmal die arrogante Klappe her, Brillo? Das hat Ihnen doch jemand beigebracht, mhm?… fällt Ihnen eigentlich nichts auf?«
    Ich legte die Schachteln zurück auf den Tisch.
    »… Sie haben mir noch nicht gesagt, ob Sie Frau Rakdee gestern gefunden haben.«
    Er öffnete den Mund, und ich winkte ab. Sein Gesicht verlor an Farbe.
    »Übrigens ganz schön clever. Der Kunstbubi, der vor lauter Leben die Hosen vollbekommt und sich von Mutti den Rückzug ins angestammte Altbaudasein einpeitschen läßt. War nicht schwer, Ihnen das abzunehmen.«
    Immer noch stand er in Rausschmeißerhaltung vor mir, aber sein Blick klebte jetzt am Boden, und der hellblaue Frotteebauch hob und senkte sich schnell.
    »Wie wär’s, Sie bieten mir ’n Kaffee an?«
    Er schaute auf, »… Kaffee?« und schüttelte abwesend den Kopf. »Die Espressomaschine ist kaputt.«
    »Ich bin da nicht wählerisch. Machen Sie ihn ruhig durch ’n Filter.«
    »Ich habe keinen Filter.«
    »Sie haben keinen Kaffeefilter?… na ja, dann eben Tee oder Kakao. Und holen Sie Ihre Freundin. Sie muß schließlich auch was frühstücken, und ich bleib ’n Moment.«
    Er starrte mich an, und sein Gesicht wurde vollends weiß. Einen Augenblick schien es, als wollte er sich auf mich stürzen. Mit bebender Stimme begann er: »Sie phantasieren. Verschwinden Sie…« Dann ergriff ihn Panik, und er warf mir die Arme entgegen. »… ich will Sie nicht mehr sehen! Nie mehr! Gehen Sie! Machen Sie, daß Sie rauskommen…!«
    Ich stand auf und knallte ihm eine. Er jaulte und schlug die Hände vors Gesicht.
    »Werden Sie nicht hysterisch! Ich bin hier, um einen Fall zu Ende zu bringen. Und wenn Sie ’n Moment nachdenken wollten, würden Sie drauf kommen, daß ich weder Polizei noch Handschellen mitgebracht habe. Ihnen beiden wird nichts passieren.«
    Er ließ die Arme sinken. Über seine Wangen liefen Tränen.
    »… was?«
    »Sie haben richtig verstanden.« Ich setzte mich zurück und deutete auf eine zweite Tür im Zimmer. »Sie steht dahinter und horcht, nicht wahr? Also, reißen Sie sich wenigstens ihretwegen zusammen.«
    Er brauchte noch ein paar Minuten; nur sein stockender Atem war zu vernehmen und das Klingelingeling der Volksgesänge. Dann schluckte er, wandte sich um und rief: »Sweetheart, please come in!«
    Langsam ging die Tür auf, und eine Frau, Mitte Zwanzig, im rotweiß gestreiften Baumwollkleid, schob sich ins Zimmer. Sie war knapp einssechzig groß, zierlich gebaut und hatte ein rundes, pausbäckiges Gesicht mit großen ernsten Augen. Die schwarzen Haare fielen lang über die Schultern. Die Füße steckten in gelben Bastschlappen. Ihre Schritte waren leicht und geräuschlos. Beim Gehen verschränkte sie die Arme. »Good morning.«
    Ich nickte, »Good morning«, und zu Weidenbusch, »Machen Sie uns jetzt was zu trinken?«
    Zehn Minuten später saßen Sri Dao und ich vor unseren Tassen, und Weidenbusch schenkte Tee ein. Nach ›Good morning‹ hatte sie kein weiteres Wort von sich gegeben. Völlig ruhig verfolgte sie, was geschah, und
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