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Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme

Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme

Titel: Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme
Autoren: Keren David
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piesacken.«
    »Ich mein’s nur gut – das härtet ab«, sagte ich geistesabwesend. Auf dem Fernsehschirm rollte die Kugel mit der Nummer 23 die durchsichtige Röhre entlang. Dreiundzwanzig. Ich freute mich schon auf meinen dreiundzwanzigsten Geburtstag. Fertig mit der Uni und endlich frei!
    »Andere Mädchen behandeln ihre Eltern nicht wie Dreck. Andere Mädchen sind nett zu ihren Müttern.«
    »Ach echt?« Einundvierzig. So alt wurde Paula demnächst. Von wegen ich behandelte meine Mutter wie Dreck – ich wusste sogar, wie alt sie war!
    Vier Richtige. Nicht schlecht. Ein paar Hundert Pfund vielleicht. Allerdings musste ich erst mal den Schein wiederfinden.
    Darum sagte ich: »Kannst du mal bitte kurz die Klappe halten, Paula?«
    Da rastete sie endgültig aus. Sie knallte ihr Weinglas auf den Couchtisch (die Platte war ebenfalls aus Glas – ein Wunder, dass sie kein Blutbad anrichtete) und kreischte: »So redest du nicht mit mir! Du entschuldigst dich! Auf der Stelle!«
    Ich hörte kaum hin. Ich starrte auf den Fernsehschirm.Die letzten drei Kugeln kullerten aus der Röhre.
    Dreizehn. An einem Dreizehnten hatte Raf Geburtstag. Das rauszukriegen hatte mich ganz schön Detektivarbeit gekostet. Raf feierte seinen Geburtstag nämlich nicht. Den Reportern erzählte ich, wir hätten in einer Nummer dreizehn gewohnt, als ich klein war.
    »Acht!« Jacks Geburtstag. Achter September. Bei der Acht war ich ganz sicher.
    Sieben. Meine Glückszahl. An meinem siebten Geburtstag war ich den Pfadfindern beigetreten und ein »Wichtel« geworden – der schönste Tag in meinem Leben, wie ich damals fand. Leider gab es dort eine geheime Terrorgruppe, die sich »Kobolde« nannte und mir zwei Jahre lang das Leben zur Hölle machte. Kobolde sind nämlich die natürlichen Feinde der Wichtel.
    »So geht das nicht weiter! Entweder ignorierst du mich oder du wirst frech!«, zeterte Paula. Ich verdrängte den Gedanken an die teuflischen Kobolde und ging im Geist noch mal die Zahlen durch. Oh mein Gott. Oh. Mein. Gott! Oh – mein –
    »Äh, Paula …?«, sagte ich zaghaft.
    Sie hörte mich gar nicht, weil sie so tobte. »Mir REICHTS! Ich KANN NICHT MEHR!«, und so weiter. Wie sollte ich ihr da überhaupt erklären, was passiert war? Oder hatte ich mich doch geirrt? Wie peinlich, wenn ich womöglich Natashas Geburtstag genommen hatte statt den von Jack. Oder wenn ich die falsche Kleidergröße angekreuzt hatte.
    Also sagte ich nur: »Okay. Bin schon weg.«
    Ich schnappte mir meine Jeansjacke, zog meine gefakten Ugg-Boots an und warf meine Schultasche über die Schulter.
    Schon war ich zur Tür raus – samt meinem verheißungsvollen Lottoschein.

2
    Angeblich bewahren neunzig Prozent
aller weiblichen Gewinner
ihren Lottoschein im BH auf.
    Draußen kramte ich in meiner Schultasche. Natürlich fand ich den Schein nicht. Dafür aber meinen neuen Labello mit Passionsfrucht-Geschmack, einen flauschigen Tampon ohne Hülle, mumifizierte Mandarinenschalen, vollgerotzte Papiertaschentücher – bis mir einfiel, dass ich den Schein zusammengefaltet und ins Portemonnaie gesteckt hatte. Ich zog ihn heraus und studierte ihn mit zusammengekniffenen Augen im Funzellicht der Straßenlaterne. Aber ich konnte mich plötzlich nicht mehr an die Zahlen aus dem Fernsehen erinnern. Acht – dreiundzwanzig – fünfzehn? Und dann? Vierundvierzig? Zwölf?
    Wenn ich … Wenn ich tatsächlich … Eine eigene Riesenwohnung mit gigantischem Flachbildfernseher und Billardzimmer, ein Mac. Ein Auto mit Chauffeur bis zum siebzehnten Geburtstag, dann Fahrstunden und Führerschein. Scheiß auf Schulabschluss und Studium. Ich konnte jetzt schon so frei sein wie mit dreiundzwanzig. Wahnsinn. Wahn-sinn!
    Ich hatte nie so richtig gewusst, was ich später mal machen wollte. Wenn ich an die Zukunft dachte, geriet ich regelmäßig in Panik. Meine Eltern erwartetenvon mir, dass ich die Bäckerei übernahm, und ich hatte mich schon halb damit abgefunden, Betriebswirtschaft zu studieren (gähn). Aber manchmal träumte ich davon, auszubrechen und zu machen, worauf ich Lust hatte.
    Aber worauf hatte ich eigentlich Lust? Sollte ich auf Weltreise gehen oder lieber einen Flohmarktstand aufmachen? Oder doch lieber Filmwissenschaft studieren? Das klang alles irgendwie spannend und war auf jeden Fall cooler als Brötchen backen, trotzdem konnte ich mich nicht entscheiden und sagen: »Ich bin eine Weltenbummlerin« oder »Ich verkaufe Vintage-Mode« oder »Ich beschäftige mich mit alten
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