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Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme

Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme

Titel: Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme
Autoren: Keren David
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Filmen.«
    Aber jetzt war ich vielleicht mit einem Schlag frei! Keine Bäckerei mehr, keine Entscheidungen. Ich war Multimillionärin. Ich brauchte nie mehr einen Finger zu rühren.
    Vielleicht.
    Ich drehte mich nach der Haustür um. Ich musste wieder reingehen und die Zahlen überprüfen. Mum hatte sich bestimmt beruhigt – oder?
    Und wenn es doch ein Irrtum war? Der Reinfall des Jahrhunderts? Mum würde mich womöglich sogar trösten, lieb zu mir sein, verständnisvoll. Bloß nicht! Nein. Sie hatte mich und meinen Lottoschein rausgeschmissen. Eine tolle Story für die Reporter.
    Ich hielt den Schein immer noch in der schweißfeuchten Hand. Und wenn ich jetzt überfallen und ausgeraubt wurde? Oder den Schein verlor? Der sicherste Aufbewahrungsort, der mir einfiel, war mein BH – mein Lieblings-BH, ebenfalls ein Schnäppchen: türkisblauerSatin mit kaugummirosa Schleifchen und Super-Push-up-Effekt. Der zusammengefaltete Lottoschein kratzte ein bisschen.
    Dann trabte ich die Straße runter und überlegte, bei wem ich Zuflucht suchen, beziehungsweise mit wem ich den großen Augenblick teilen sollte. Eigentlich kamen nur Jack und Shaz infrage. Jack wollte heute Abend mit Freunden weggehen. Dann also Shaz. Die ging freitags zwar immer in die Moschee, aber vielleicht konnte sie ihrer zahlreichen Verwandtschaft ja eine Weile entkommen.
    Ich schickte ihr eine SMS. Nach einigem Grübeln schrieb ich: Hi! Hast du Zeit? Hab vielleicht im Lotto gewonnen.
    Sie schrieb sofort zurück: Wie viel??? Reicht’s für die Jacke? Kann jetzt nicht. Essen mit Familie. Bis morgen.
    Also wenn mir meine beste Freundin geschrieben hätte, dass sie vielleicht im Lotto gewonnen hat, hätte ich wenigstens suuuper!!!!!!!! zurückgeschrieben und einen Smiley angehängt. Aber das war typisch Shaz. Sie konnte dieses ganze Mädchengetue nicht ausstehen. Darum mochte ich sie auch so gern. Sie war irgendwie anders.
    Tithe Green war ein stinknormaler, stinklangweiliger Londoner Außenbezirk. Die richtig guten Läden und Einkaufsstraßen waren da, wo die Reichen und Schönen wohnten – in Hampstead und Notting Hill. Auf unserer Hauptstraße gab es einen Friseur, ein Café, ein Nagelstudio, ein paar Secondhand-Klamottenläden und natürlich unsere Bäckerei: Latimers Backstube .
    Seit Neuestem hatten wir auch ein Internetcafé. Vorherwar in den Räumen eine Boutique namens Lallas Schatztruhe gewesen. Mum hätte dort fast mal eine Strickjacke gekauft, bis sie das Preisschild entdeckte: hundertfünfzig Pfund.
    Dad hatte sich über das Internetcafé gefreut. Lallas Laden hatte ein halbes Jahr leer gestanden. Lalla selber war nach Madagaskar ausgewandert und setzte sich dort für den Tierschutz ein.
    »Alles ist besser als Leerstand«, hatte Dad gemeint. »Mal sehen, wie lange sich das Internetcafé hält – heutzutage haben die meisten Leute ja einen eigenen WLAN-Zugang – aber verrammelte Schaufenster sind der Tod jeder Ladenzeile.«
    »Der Tod jeder Ladenzeile ist eine Einkaufspassage in vier Kilometern Entfernung«, hielt Mum dagegen.
    Dad zuckte nur die Achseln. »Wir leben von unseren Stammkunden, die schon seit sechzig Jahren bei Latimers ihre Brötchen kaufen.«
    »Eben.«
    Eigentlich interessierte mich das Internetcafé nicht, aber vor ein paar Tagen hatte ich auf dem Nachhauseweg von der Schule gesehen, wie Raf hineinging. Ob er sich öfter dort aufhielt? Unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen.
    Eigentlich passte ein Internetcafé nicht zu Raf. Er wohnte in einer Villa in der Melbourne Avenue (ich war ihm mal nach der Schule heimlich gefolgt), der Prachtstraße von Tithe Green. Bestimmt hatte er ein Riesenzimmer mit einem Mac, einem Flachbildfernseher mit Wandhalterung und einer supermodernen Anlage.
    Er war mitten in der Elften auf unsere Schule gekommen, sogar mitten in den Prüfungen, und gab uns allen Rätsel auf. Die Jungen hielten ihn für einen reichen Angeber, der von der Privatschule geflogen war.
    »Wegen Drogen wahrscheinlich«, meinte Jack. »Er guckt immer so komisch und hat Ringe unter den Augen.«
    Wir Mädchen waren anderer Meinung. Wir fanden Raf geheimnisvoll und verdammt heiß – stylish und lässig zugleich, eine unwiderstehliche Kombination.
    Alle Mädchen, auch ich, waren totale Fans von Fantasy-Lovestorys: Bücher, Kinofilme, Fernsehserien. Wir wären auch gern mit einem attraktiven Vampir oder einem knuddeligen Werwolf zusammen gewesen. Einfühlsam und romantisch sollte er sein und gern Gedichte lesen. Ganz anders
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