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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter
Autoren: Jodi Picoult
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dass jemand – irgendjemand – meine Mutter dafür bezahlt, ihn zu beraten. Ich meine, schließlich versuche ich als ihre Tochter genau dem zu entgehen. Aber meine Mutter ist sich sicher, dass ihre Kunden es schätzen, dass auch sie einen großen Verlust verarbeiten musste. Das verleihe ihr Glaubwürdigkeit, sagt sie. Die große Mehrheit der Lebensberater seien doch auch nichts weiter als gute Zuhörer, die vielleicht einem Zauderer einen Tritt in den Hintern geben könnten, sonst nichts. Und mal ganz ehrlich, wer hätte genau dafür schon bessere Voraussetzungen als eine Mutter.
    Ich schaue meiner Mutter über die Schulter. »Glaubst du nicht, dass du mich auf deiner Seite erwähnen solltest?«, frage ich. »Wenn ich schon deine Hauptqualifikation für den Job bin?«
    »Stell dir doch nur einmal vor, wie lächerlich es wäre, deinen Namen zu nennen, ohne dass es einen Link zu deinem Profil gibt. Aber«, sie seufzt, »so einen Link kann man ja nur erstellen, wenn der Betreffende eine Freundschaftsanfrage auch annimmt …«
    »Oh, um Himmels willen.« Ich beuge mich vor und tippe zwischen den Fingern meiner Mutter hindurch und drücke das Baby gegen ihren Rücken. Ich logge mich in mein Profil ein. Im Livefeed laufen die Gedanken und Berichte von Leuten, mit denen ich auf die Highschool gegangen bin, von anderen Musiktherapeuten und von ehemaligen Professoren. Unter anderem schreibt dort Darci, meine Zimmergenossin auf dem College, mit der ich schon seit Monaten nicht gesprochen habe. Ich sollte sie mal anrufen , denke ich bei mir, obwohl ich weiß, dass ich das nicht tun werde. Sie hat Zwillinge, die gerade in den Vorschulkindergarten gekommen sind. Ihre lächelnden Gesichter zieren ihr Profil.
    Ich nehme die Freundschaftsanfrage meiner Mutter an, auch wenn sich das wie ein neuer Tiefpunkt im Social Networking anfühlt. »So«, sage ich. »Bist du jetzt glücklich?«
    »Sehr. So weiß ich wenigstens, dass ich die neuesten Bilder von meinem Enkelkind zu sehen bekomme, wenn ich mich einlogge.«
    »Anstatt die eine Meile zu meinem Haus zu fahren, um sie dir persönlich anzusehen?«
    »Hier geht es ums Prinzip, Zoe«, erklärt meine Mutter. »Ich bin nur froh, dass du endlich von deinem hohen Ross heruntergekommen bist.«
    »Keine Pferde«, sage ich. »Ich bin einfach nicht in der Stimmung für einen Streit vor meiner Babyparty.«
    Meine Mutter öffnet den Mund, um etwas darauf zu erwidern, macht ihn aber wieder zu. Eine halbe Sekunde lang denkt sie darüber nach, die Fassade aufrechtzuerhalten, doch sie gibt rasch auf. »Wer hat dir davon erzählt?«
    »Offenbar habe ich in der Schwangerschaft so eine Art siebten Sinn entwickelt«, erwidere ich.
    Meine Mutter denkt darüber nach. Sie ist beeindruckt. »Wirklich?«
    Ich gehe in ihre Küche, um den Kühlschrank zu plündern, und finde drei Portionen Hummus, einen Beutel Karotten und verschiedene undefinierbare Klumpen in Tupperdosen. »Manchmal wache ich morgens auf und weiß einfach, dass Max Cap’n Crunch zum Frühstück haben will. Oder ich höre das Telefon klingeln und weiß, noch bevor ich abhebe, dass du das bist.«
    »Als ich mit dir schwanger war, habe ich voraussagen können, ob es regnet oder nicht«, sagt meine Mutter. »Und meine Vorhersagen waren genauer als die des Wettermanns auf ABC.«
    Ich stecke meinen Finger in den Hummus. »Als ich heute Morgen aufgewacht bin, hat das ganze Schlafzimmer wie eine Auberginen-Parmagiana gerochen … du weißt schon … wie die guten, die es bei Bolonisi gibt.«
    »Dort findet auch die Babyparty statt!« Erstaunt schnappt meine Mutter nach Luft. »Wann hat das angefangen?«
    »Ungefähr zu der Zeit, als ich eine Quittung vom Copy Shop für die Einladungen in Max’ Jackentasche gefunden habe.«
    Meine Mutter braucht einen Augenblick, dann muss sie lachen. »Und ich hatte schon die Kreuzfahrt geplant, die ich von dem Lottogewinn buchen wollte, weil du mir die Zahlen nennen konntest.«
    »Tut mir leid, dass ich dich so enttäuschen muss.«
    Meine Mutter streicht mir mit der Hand über den Bauch. »Zoe«, sagt sie, »selbst wenn du wolltest, könntest du mich nicht enttäuschen.«
    Einige Hirnforscher glauben, die menschliche Reaktion auf Musik beweise, dass wir mehr sind als nur Fleisch und Blut, dass wir eine Seele haben. Dabei argumentieren sie wie folgt:
    Sämtliche Reaktionen auf externe Stimuli lassen sich auf evolutionäre Grundprinzipien zurückführen. So zieht man instinktiv die Hand vor Feuer zurück, um
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