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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter
Autoren: Jodi Picoult
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Babynamen gesprochen.
    »Johanna«, flüsterte ich, nachdem er das Licht ausgeschaltet hatte.
    »Tut mir leid, dass ich dich enttäuschen muss«, sagte er, »aber ich bin es nur.«
    Im Dunkeln konnte ich ihn lächeln sehen. Max ist die Art Mann, von der ich nie gedacht hätte, dass er sich zu mir hingezogen fühlen könnte: groß, breitschultrig, ein Surfer mit wildem blondem Haar und einem Lächeln, bei dem Kassiererinnen im Supermarkt das Wechselgeld fallen lassen und Hausfrauen den Hals recken, wenn sie an unserer Einfahrt vorbeifahren. Ich dagegen habe zwar schon immer als ungewöhnlich klug gegolten, aber ein Hingucker war ich nie. Ich bin das typische Mädchen von nebenan, das Mauerblümchen, an dessen Aussehen sich nie jemand erinnern kann. Als Max zum ersten Mal mit mir gesprochen hat – das war auf der Hochzeit seines Bruders, wo ich in der Band gesungen habe, weil die eigentliche Sängerin einen Nierenstein hatte –, da habe ich unwillkürlich über die Schulter nach hinten geschaut, weil ich sicher war, er meine jemand anderen. Jahre später hat er mir gestanden, dass es nie leicht für ihn war, ein Mädchen anzusprechen, doch meine Stimme sei wie eine Droge für ihn gewesen. Ihr Klang sei ihm ins Blut gegangen und habe ihm den Mut verliehen, in der Pause zu mir zu kommen.
    Er hatte nie gedacht, dass eine Frau mit einem Abschluss in Musikwissenschaften etwas mit einem College-Abbrecher/Surfer zu tun haben wollte, der gerade verzweifelt versuchte, eine eigene Gärtnerei aufzubauen.
    Vergangene Nacht hat er sanft die Hand auf unser Baby gelegt und gesagt: »Ich dachte immer, es brächte Unglück, wenn man über das Baby spricht.«
    Und so war es auch … oder zumindest war das bei mir jedes Mal so gewesen. Aber jetzt standen wir kurz vor der Ziellinie. Es war so real. Was konnte da noch schiefgehen? »Nun ja«, habe ich erwidert, »ich habe meine Meinung geändert.«
    »Okay … Dann also Elspeth«, sagte Max. »So heißt meine Lieblingstante.«
    »Bitte, sag mir, dass du das erfunden hast …«
    Er lachte. »Ich habe auch noch eine Tante, die Ermintrude heißt …«
    »Hannah«, konterte ich. »Stella. Sage.«
    »Sage? Salbei? Das ist ein Gewürz«, erwiderte Max.
    »Ja, aber ein nettes Gewürz.«
    Max beugte sich über meinen Bauch und legte das Ohr darauf. »Fragen wir sie doch mal, wie sie genannt werden will«, schlug er vor. »Ich denke … Warte … Ja, das war laut und deutlich.« Er schaute mich an, seine Wange ruhte noch immer auf unserem Baby. »Bertha«, verkündete er.
    Wie zur Bestätigung versetzte mir unser Mädchen in diesem Moment einen Tritt, und ich war fest davon überzeugt, dass sie in Ordnung war und dass es doch kein Unglück brachte, über ein ungeborenes Kind zu reden.
    Mein Innerstes wird nach außen gekehrt. Ich stürze durch einen Tunnel besetzt mit tausend Klingen. Ich habe noch nie solche Schmerzen empfunden. Es ist ein Gefühl, als würde meine Haut von innen heraus aufgeschnitten.
    »Alles wird gut«, sagt Max und hält meine Hand so fest, als würden wir Armdrücken. Ich frage mich, wann er gekommen ist. Ich frage mich, warum er mich belügt.
    Sein Gesicht ist so weiß wie der Mitternachtsmond, und obwohl er nur wenige Zoll von mir entfernt steht, kann ich ihn kaum sehen. Stattdessen sehe ich ein Gewimmel von Ärzten und Krankenschwestern in dem winzigen Entbindungszimmer. Man hat mir intravenös einen Zugang gelegt, und um meinen Bauch ist ein Band geschnallt, das mit einem Monitor verbunden ist.
    »Ich … Ich bin erst in der achtundzwanzigsten Woche«, keuche ich.
    »Das wissen wir, Süße«, sagt eine Krankenschwester und dreht sich zu ihren Kollegen um. »Ich habe keine Anzeige auf dem Monitor …«
    »Versuchen Sie es noch einmal …«
    Ich packe die Krankenschwester am Ärmel. »Ist sie … Ist sie noch zu klein?«
    »Zoe«, sagt die Krankenschwester, »wir tun, was wir können.« Sie dreht an einem Knopf am Monitor und rückt das Band um meinen Bauch zurecht. »Ich sehe immer noch keinen Puls …«
    »Was?« Mühsam versuche ich, mich aufzusetzen, doch Max hält mich zurück. »Warum nicht?«
    »Holen Sie das Ultraschallgerät«, ruft Dr. Gelman, und einen Augenblick später wird der Apparat hereingerollt. Kaltes Gel wird auf meinem Bauch verteilt, und ich werde von einem weiteren Krampf gepackt. Die Ärztin weiß die Bilder auf dem Ultraschallmonitor zu deuten. »Da ist der Kopf«, sagt sie ruhig. »Und da das Herz.«
    Ich schaue verzweifelt hin,
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