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Ein Kuss vor Mitternacht

Ein Kuss vor Mitternacht

Titel: Ein Kuss vor Mitternacht
Autoren: Candace Camp
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war, in einem verborgenen Winkel ihres Herzens wünschte. Aber nichts geschah. Das Gepäck war verstaut, und die Kutsche setzte sich langsam in Bewegung.
    Constance schloss die Augen im festen Vorsatz, sich im Beisein von Muriel und Lady Rutherford keine Schwäche anmerken zu lassen. Sie hätte nicht gedacht, dass sie einschlafen könnte, aber das Schaukeln der Kutsche, das rhythmische Hufgetrappel und das Knirschen der Räder im Kies umfingen sie mit tröstlicher Gleichförmigkeit und lullten sie ein.
    Von lautem Geschrei aufgeschreckt, schlug Constance benommen die Augen auf. Es dauerte eine Weile, bis sie vollends wach war, sich orientiert hatte und wusste, wo sie sich befand. Die Kutsche fuhr langsamer.
    „Was ist los? Wieso halten wir an?“, fragte sie und blickte Lady Rutherford verständnislos an.
    „Ich habe keine Ahnung“, entgegnete sie kühl und schob den Vorhang beiseite.
    Auch Constance warf einen Blick aus dem Fenster. Im Osten dämmerte es bereits, ein breiter goldener Streifen begrenzte den Horizont, in dem rosige Wölkchen zu schwimmen schienen. Die Kutsche hatte mittlerweile angehalten. Zwei Reiter kamen herangeritten, einer von ihnen schwang sich aus dem Sattel und näherte sich der Kutsche.
    „Mylady?“
    „Ja, was gibt’s?“ Muriels Mutter beugte sich aus dem Fenster. „Was ist los? Was soll all das Geschrei?“
    „Lord Selbrooke wünscht, dass Sie umgehend nach Redfields zurückkehren, Mylady“, antwortete der Mann, zog seinen Hut und verbeugte sich respektvoll.
    Constance atmete laut aus. Nein! Sie konnte nicht in dieses Haus zurück!
    „Umkehren? Wieso in aller Welt?“, fragte Lady Rutherford.
    „Das weiß ich nicht. Seine Lordschaft sagte nur, es sei von äußerster Dringlichkeit.“
    „Verstehe. Nun … wenn das so ist, müssen wir seiner Bitte wohl Folge leisten.“
    „Lady Rutherford! Nein!“, rief Constance in höchster Not. Damit wäre ihr Plan ruiniert, ihre heimliche Flucht vereitelt.
    „Kehren Sie um, und fahren Sie zurück!“, befahl Lady Rutherford dem Kutscher. Während die Kutsche sich auf den Rückweg machte, schaute die ältere Dame Constance kühl an. „Seien Sie nicht albern, Mädchen. Es würde einen denkbar schlechten Eindruck machen, wenn wir uns weigern.“
    „Das ist mir einerlei“, entgegnete Constance aufrichtig. „Aber damit ist mein Plan zunichte. Ich kann nicht …“
    „Seien Sie vernünftig“, ließ Lady Rutherford sie nicht ausreden. „Leighton kann Sie nicht zur Heirat zwingen. Sie sagen einfach Nein, und damit ist der Fall erledigt. Ich bin gerne bereit, Sie nach London zu bringen.“
    „Aber wieso will Lord Selbrooke, dass wir umkehren?“
    Lady Rutherford zuckte die Achseln. „Das werden wir bald erfahren. Vielleicht ist Lord Leighton zur Einsicht gekommen.“ Sie musterte Constance aus boshaft glitzernden Augen, bevor sie den Blick wieder aus dem Fenster richtete.
    Waren ihre Abschiedsbriefe vorzeitig entdeckt worden? Hatten Dominic und seine Eltern erkannt, dass Constance geflohen war, um die Verlobung zu verhindern? Aber selbst wenn, wieso sollte Lord Selbrooke sie zurückrufen? Mit ihrer Abreise erfüllte sie ihm doch seinen innigsten Wunsch.
    Vielleicht war es Dominic gewesen, der ihr die Reiter hinterhergeschickt hatte, nicht der Earl. Vielleicht war er wütend auf sie, weil sie gegangen war, während er bereit gewesen wäre, seine Zukunft für sie zu opfern.
    Constance verschränkte die Hände im Schoß; Angst vor der Begegnung mit dem verärgerten Dominic kroch in ihr hoch. Hätte sie nur die Briefe nicht geschrieben.
    Als der Wagen vor dem Herrenhaus anhielt, stieg Constance widerstrebend aus und folgte den Damen Rutherford die Steinstufen hinauf. Zu ihrer Verblüffung machten sich zwei Diener daran, ihr Gepäck abzuladen.
    In der Halle wurden die Reisenden vom Hausherrn empfangen, der eine Zornesmiene zur Schau trug wie ein Rachegott. Lady Selbrooke neben ihm machte ein mürrisches, hochnäsiges Gesicht. Mit einem flüchtigen Seitenblick nahm Constance einige Hausbewohner wahr, die sich auf der Treppe versammelt hatten, in verschiedenen Stadien des Anziehens begriffen. Dominic stand auf der untersten Stufe, im lose über der Hose hängenden Hemd, das er offenbar in aller Eile übergestreift hatte. Mit seinem verschlafenen Gesicht und dem zerzausten Haar wirkte er keineswegs wütend, nur ein wenig durcheinander.
    Francesca im seidenen Morgenmantel stand ein paar Stufen über Dominic. Dahinter reckten einige Hausgäste die
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