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Ein Hund zu Weihnachten

Ein Hund zu Weihnachten

Titel: Ein Hund zu Weihnachten
Autoren: Greg Kincaid
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hatte. »Wovon redest du?«, fragte ich in anklagendem Ton.
    »Ich bin müde und gehe ins Bett. Vielleicht können wir uns ja morgen wie zivilisierte Leute über dieses Thema unterhalten. Ich habe keine Lust, mich anschreien und zu Unrecht beschuldigen zu lassen.« Meine Frau warf in einer Geste scheinbarer Entrüstung den Kopf nach hinten und verließ den Raum. Ich hatte dieses Theater schon oft bei ihr erlebt und war diesmal nicht gewillt, darauf hereinzufallen. Ich folgte ihr ins Wohnzimmer. »Du weißt, dass ich Recht habe, nicht wahr?«
    Ich hatte sie in die Enge getrieben, und deswegen musste sie in einem Punkt nachgeben: »Nun ja, vielleicht habe ich ein wenig zu schnell zugestimmt.«
    »Fünf Sekunden?«
    »Ich habe versucht, es zehn Sekunden lang herauszuzögern.« Mary Ann wechselte wieder die Taktik und sprach aus, was sie wirklich dachte. »Oh, George, warum kannst du Todd nicht einfach erlauben, einen Hund zu haben?«
    »Du weißt warum, Mary Ann.«
    »Sei mir nicht böse, aber deine unglückliche Hundegeschichte ist doch lange her. Glaub mir, es wäre besser für dich, wenn du sie vergessen und es noch einmal versuchen würdest.«
    »Ich werde darüber nachdenken«, brummte ich, ging in ein anderes Zimmer, setzte mich dort in einen Sessel und vergrub mein Gesicht in den Händen. Ich versuchte, über etwas nachzudenken, wo rüber ich nicht gerne nachdachte - meine Erfahrungen mit Hunden.
    Als ich zwölf Jahre alt war, kam mein Vater bei einem Traktorunfall ums Leben, und seine Eltern - meine Großeltern - zogen wieder in unser Haus ein. Weil mein Großvater nicht wusste, was er sonst für mich tun sollte, kam er eines Tages mit einem Irish-Setter-Welpen nach Hause. Ich wuchs mit dem besten Hund der Welt auf, Tucker. In unserer Nachbarschaft gab es keine Kinder, und so wurde Tucker mein bester Freund. Wir gingen zusammen auf die Jagd, machten Entdeckungstouren und verstanden uns blind. Kein Hase, kein Präriehuhn, keine Wachtel oder Klapperschlange war vor mir und Tucker sicher. Er half mir durch meine Jugend, die sonst wohl sehr einsam gewesen wäre.
    Als ich meinen Highschool-Abschluss gemacht hatte, schenkte mir die US-Army einen einjährigen, kostenlosen Aufenthalt in Vietnam. Tucker, der inzwischen ein alter Herr geworden war, wartete monatelang geduldig auf der Veranda hinter unserem Haus auf mich, so als würde ich jeden Augenblick vom Fußballtraining nach Hause kommen. Am 7. April 1969 schrieb mir meine Großmutter, dass Tucker auf der Veranda gestorben war, während er dort auf mich wartete. Sein Halsband und seine Leine hängen immer noch an einem alten Nagel in unserem Schuppen. Ich vermisste ihn, aber in meiner Situation blieb mir nichts anderes übrig, als weiterzumachen und zu versuchen, am Leben zu bleiben.
    Im Juni 1969 kam unsere Einheit in ein Dorf. Es gab dort keine Überlebenden außer einem halb verhungerten Hund unbestimmbarer Rasse. Es verstieß gegen die Vorschriften, aber ich nahm den Hund mit und behielt ihn die folgenden vier Monate. Ich hoffte, dass er die Leere in mir ausfüllen würde, die ich so weit von zu Hause entfernt und nach dem Verlust von Tucker empfand. Wir machten ihn zu unserem Truppenmaskottchen und suchten einen würdigen Namen für ihn. Schließlich einigten wir uns auf Good Charly.  Er wurde mein neuer bester Freund und war das einzige vernünftige und freundliche Wesen in einem Teil der Welt, in dem sonst nur Brutalität herrschte. Er rettete mir das Leben, bezahlte aber mit seinem eigenen, als er vorauslief und auf eine Landmine trat.
    Es dauerte sehr lange, bis ich Tuckers Verlust verwunden hatte, und um Good Charly trauerte ich vielleicht sogar noch länger. Nicht nur, weil ich die beiden Hunde vermisste, sondern auch, weil sie auf meiner Reise durch hässliche Kriegserinnerungen zu wichtigen Orientierungshilfen wurden, Erinnerungen, die man kaum mit jemandem teilen kann. Ich rede bis heute mit niemandem über diese beiden Hunde. Nicht einmal mit Mary Ann. Manche Leute denken, dass ich ein Hundehasser bin, aber so einfach ist es nicht.
    Ich wollte die Erinnerungen an Gewehre und Hunde in Südostasien zurücklassen. Mein Großvater bestand darauf, dass man ohne ein Gewehr auf einer Farm nicht sicher sei. Also habe ich sein Gewehr aus dem ersten Weltkrieg, eine Browning Automatic mit fünf Kugeln, aufbewahrt - tief vergraben in der hintersten Ecke meines Schrankes. Auch wenn ich so ein Gewehr bedienen konnte, hoffte ich doch, es niemals tun zu müssen.
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