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Ein Hund zu Weihnachten

Ein Hund zu Weihnachten

Titel: Ein Hund zu Weihnachten
Autoren: Greg Kincaid
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Meine Hundeerinnerungen waren noch tiefer vergraben. Die Leute wundern sich, warum es auf unserer Farm keine Hunde gibt. Sollen sie sich wundern. Ein weiterer Hund würde wahrscheinlich eine Flut von düsteren Erinnerungen wecken, Erinnerungen an Verlust und Schmerz und ausgelöschtes Leben.
    Tief in Gedanken versunken hörte ich nicht, wie Mary Ann ins Wohnzimmer kam. Ich erschrak ein wenig, als sie mich an der Schulter berührte. »George?«, fragte sie.
    »Ja«, erwiderte ich, ohne aufzublicken.
    »Es tut mir leid. Lass uns die Sache für dieses Jahr vergessen. Ich hätte dich nicht in diese Lage bringen sollen. Es war gefühllos von mir.« Sie hielt kurz inne und fügte dann hinzu: »Ich werde Todd sagen, dass es dieses Jahr ungünstig ist und wir nächstes Jahr noch einmal darüber nachdenken. Vielleicht bist du dann so weit.«
    Ich streckte den Arm aus und nahm ihre Hand. »Nein, Mary Ann, du hast Recht. Es ist fast vierzig Jahre her. Das ist genug. Es wird Zeit, dass ich darüber hinwegkomme.«
    »Bist du sicher?«
    »Ja, aber es gibt da trotzdem noch ein paar Punkte, über die wir reden müssen.«
    »Was meinst du?«, fragte sie behutsam.
    »Am Ende der Woche bringen wir den Hund zurück. Es ist ein einwöchiges Experiment. Eine nette Sache für die Feiertage. Nicht mehr.«
    »Ja, George, ich verstehe. So ist die Aktion gedacht. Wenn man möchte, kann man den Hund zurückbringen.«
    »Und du wirst mich dabei unterstützen?«
    »Natürlich werde ich das. Was noch?«
    »Ich möchte, dass Todd diese Verantwortung übernimmt. Er füttert den Hund und geht mit ihm raus, nicht du oder ich. Außerdem halte ich das für den perfekten Anlass, ihn dazu zu bringen, sein Zimmer aufzuräumen. Kein sauberes Zimmer, kein Hund.«
    »Ich bin deiner Meinung«, sagte sie.
    »Abgemacht?«, fragte ich.
    »Abgemacht.«
    Ich wollte einen Versuch wagen. Ich fühlte mich besser, nachdem ich eine Einigung mit meiner Frau gefunden hatte. Wir hatten schon vor langer Zeit gelernt, dass jedes Paar ab und an einen Kampf ausfechten oder zumindest streiten muss. Mary Ann sagt immer, dass nicht der Streit an sich Probleme ins Leben und in die Ehe bringt, sondern der nicht ausgetragene Streit.
    Sie war als Tochter eines Bankiers aufgewachsen und hatte als Kind jeden Wunsch erfüllt bekommen. Ich fragte mich, ob es ihr deswegen so schwer fiel, Todd etwas abzuschlagen. Während ich in Vietnam war, machte sie ihren Abschluss als Lehrerin an der Kansas State University. Bei all ihren Studienverpflichtungen  fand sie Zeit, mir jeden Tag zu schreiben. Und als ich zurückkam, war sie bereit, mich zu heiraten, zusammengeschossen und verkrüppelt wie ich war.
    »Du hast es ja nur auf meine Kriegsversehrtenrente abgesehen«, scherzte ich.
    »Dann haben wir ja etwas gemeinsam, George.«
    »Wie meinst du das?«
    »Du hast es ja auch nur auf mein Lehrergehalt abgesehen.«
    Ich habe Mary Anns Loyalität niemals in Frage gestellt. Sie versprach, die beste aller Ehefrauen und die beste aller Mütter zu sein. Sie hat mich nie im Stich gelassen. Wir waren uns nur nicht immer ganz einig, was Todd betraf.
    Und so war es auch bei dieser Geschichte.
     

ZWEI
    Am nächsten Morgen kam Todd früher als üblich herunter in die Küche. Er war fertig angezogen und versuchte, seine Aufregung zu verbergen. Nach dem Frühstück drehten wir zusammen unsere Runde durch den Rinderpferch und gingen dann zum Schuppen. Ich fischte den Zettel mit der Telefonnummer aus der Tasche und nahm den Hörer des Apparates ab, der an der Südwand des Schuppens hing. Von hier aus konnte ich im Tierheim anrufen, ohne dass sich die beste Rhetoriklehrerin von Crossing Trails einmischte.
    Plötzlich fielen mir hundert Gründe ein, warum ich dort nicht anrufen sollte, aber ich wählte trotzdem die Nummer und versuchte, alle Einwände zu vergessen. Irgendwie hatten Todd und Mary Ann wohl Recht. Wie unangenehm es mir auch sein würde, es würde mir nicht schaden, für eine Woche einen Hund im Haus zu haben.
    Todd hatte kein einfaches Leben. Wir mussten uns jeden Tag entscheiden, ob wir versuchen wollten, ihm sein Leben ein bisschen zu erleichtern, oder ob wir akzeptieren wollten, dass es Dinge gab, die wir nicht ändern konnten. Wie im Fall des Weihnachtshundes war die Entscheidung nicht immer einfach.
    Die Tatsache, dass wir Todd so spät bekommen hatten, machte das Leben mit ihm manchmal schwierig. Jeder Arzt, den wir aufsuchten, stellte eine andere Diagnose. Ich glaube, die meisten wollten uns
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