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Ein Hund zu Weihnachten

Ein Hund zu Weihnachten

Titel: Ein Hund zu Weihnachten
Autoren: Greg Kincaid
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unbedingt als Hundefutter geeignet waren. Er tat, was er tun musste, um sich zu ernähren. Dazu verfeinerte er seine Instinkte, die tief in ihm schlummerten. Er schärfte sein Gehör, sein Geruchssinn wurde feiner, und er nahm Bewegungen wahr, die ihm in seiner Zeit als Haustier entgangen wären.
    Er jagte wie ein wildes Tier. Er wartete. Er lief immer weiter. Er wusste nicht, wie lange es dauern würde oder wie weit er laufen müsste. Wenn er sein Ziel erreicht hätte, würde er es wissen. Er überließ sich vollkommen seinen Instinkten.
    Ähnlich wie Gänse, Lachse und manche Schmetterlinge zog es Jake zu einem ganz bestimmten Ort. Oft war es gefährlich. Er kam durch unfreundliche Gegenden, wo die Bewohner ihm auf ihre eigene Art klarmachten, dass einer wie er unerwünscht war. Sie würdigten ihn kaum eines Blickes und taten, als ob er Luft wäre. Sie fürchteten, dass ein wenig Freundlichkeit ihn nur zum Bleiben ermutigen könnte und sie ihn dann nie mehr loswürden.
    Wenn sie ihn nicht einfach ignorierten, drückten sie sich deutlicher aus. Einmal warf ein Mann einen Stein nach ihm. Als ihn ein paar junge Kerle in einem Auto eines Abends am Straßenrand entlanglaufen sahen, hielten sie genau auf ihn zu, als würde es ihnen Spaß machen, ihn zur Seite springen zu sehen. Jake blieb unverletzt, aber die Botschaft war eindeutig. Er musste weiter, immer nach Westen.
    Auch das Tierreich meinte es nicht gut mit ihm: Hunde verbellten ihn, Stinktiere sprühten ihn an, er wurde von Zecken gebissen, und Dornenhecken zerkratzten seine Flanken. Trotzdem lief er immer weiter, denn er wusste, dass er sein Ziel noch nicht erreicht hatte.
    Solche Zwischenfälle störten Jake wenig. Er war glücklich und zufrieden. Wenn er am Morgen aufwachte und sich streckte, spürte er seine müden Knochen, aber er hatte sich nie besser gefühlt. Er hatte ein schönes Leben, und Mühsal gehörte eben dazu. Für Mensch und Tier kann es keinen größeren Seelenfrieden geben, als nach der eigenen Bestimmung zu leben. Diese Harmonie von Existenz und Sinn ist so selten, dass wir vergessen haben, dass es sie gibt. Nicht so Jake. Und insbesondere nicht an diesem Tag.
    Als die Sonne mittags ihren höchsten Punkt erreicht hatte, ruhte sich Jake auf einem bewaldeten Hügel aus und beobachtete, wie ein junger Mann mit leuchtend roten Turnschuhen am Ufer eines Flusses entlangwanderte. Gedankenverloren warf er dabei ein paar Steinchen auf die dünne Eisschicht des Kill Creek, wie die einheimischen Indianer dieses Gewässer unverblümt genannt hatten, in Anspielung auf die üppigen Jagdgründe voller Leben und Tod, die sich an seinen Ufern ausbreiteten.
    Er beobachtete den jungen Mann und spürte ein unbestimmtes Gefühl der Erleichterung und Vertrautheit. Dennoch blieb er liegen und wartete erst einmal ab, denn er witterte, dass irgendetwas nicht stimmte. Als der Mann vorbeigegangen war, trottete Jake zum Fluss hinunter und trank in tiefen Zügen das kalte Wasser, das der Regen am Vortag gebracht hatte. Gerüche tanzten am Ufer entlang, von Wildblumen, süßem Heu, altem Eichenholz und nassem Moos, das auf Kalksteinboden wächst. Dann war da noch ein fremder, ungewohnt herber Duft, den er nicht zuordnen konnte. Gerade versuchte er den Duft genauer zu bestimmen, als er ein kaum hörbares Geräusch wahrnahm. Er fuhr herum und sah, wie ein Schatten im dichten Wald von Hickory- und Redbud-Bäumen, Walnusssträuchern und Eichen verschwand, der an den Fluss grenzte. Jake schlich zu den Bäumen, und der Duft wurde stärker. Dann fand er die Spuren und begriff blitzschnell. Es waren die Spuren einer Katze. Einer riesigen Katze. Diese Begegnung wollte er lieber vermeiden. Er würde nicht warten, bis der Mann zurückkam. In der Ferne hörte er das Geräusch von Automotoren, das schrille Pfeifen der Eisenbahn, Hundegebell, Kirchenglocken und Kinderlachen.
    Jake blieb stehen und hielt nach dem Mann mit den leuchtend roten Turnschuhen Ausschau, dann wandte er sich den Geräuschen der Stadt zu, in der Hoffnung, endlich das zu finden, wonach er eigentlich suchte. Was es auch immer war, was ihn anzog - es wurde stärker, intensiver, und es war ganz in der Nähe.
     

EINS
    Ich blicke inzwischen eher zurück als in die Zukunft, lasse die Jahre vor meinem inneren Auge vorüberziehen und verweile bei den wichtigen Ereignissen in meinem Leben. Vielleicht bin ich eine Ausnahme, aber mal abgesehen von gelegentlicher Traurigkeit, wie sie jeder von uns kennt, kann ich nicht über
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