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Ein Hund zu Weihnachten

Ein Hund zu Weihnachten

Titel: Ein Hund zu Weihnachten
Autoren: Greg Kincaid
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irgendwelche größeren Enttäuschungen klagen. Ganz im Gegenteil, ich habe jede Menge schöne Erinnerungen und kann auf viele bereichernde Erfahrungen zurückblicken. Jeder von uns hat Schlüsselerlebnisse in seinem Leben. In meinem Fall war das ein auf den ersten Blick perfektes Weihnachtsfest.
    Vier meiner fünf Kinder, drei Jungen und eine Tochter, sind inzwischen erwachsen und stehen im Berufsleben, aber sie wohnen alle noch in der Nähe der alten Farm, die wir seit vier Generationen unser Zuhause nennen. An den Feiertagen kommen sie zurück, manchmal auch zum Abendessen, holen sich einen ungefragten Ratschlag ab, leihen sich Werkzeug aus oder sitzen einfach nur ruhig auf der Veranda, strecken  ihre Beine über das Geländer und lauschen den Geräuschen der Farm, die uns auch in den schlechtesten Zeiten aufmuntern. Sie sind hier auf dem Land aufgewachsen, das mein Ururgroßvater von den Blackfoot-Indianern gekauft hat. Südlich von unserem Haus haben sich Schwertlilien über den Waldboden ausgebreitet und die Überreste seiner ersten Hütte zugedeckt. Wir haben nur gute Erinnerungen an diese Farm.
    Mary Ann, meine Frau, unterrichtet Englisch und Rhetorik an der Crossing Trails High School, wo alle vier Generationen der McCrays ihren Abschluss gemacht haben. Die beiden letzten Generationen wurden von einem Schulbus verwöhnt. Die beiden ersten mussten die acht Meilen hin und zurück auf dem Pferderücken zurücklegen und erzählten oft und gerne von diesen mühsamen Wegen.
    Und dann ist da noch Todd, mein Jüngster. An jenem Weihnachtsfest wäre er zwar alt genug gewesen, um auf eigenen Füßen zu stehen und einen Job anzunehmen wie seine Geschwister. Aber seine Unmündigkeit, eine natürliche Folge seiner Behinderung, hielt ihn zuhause bei seiner Mutter und mir.
    Todd sah wie jeder andere gesunde Zwanzigjährige aus, aber er hatte seinen eigenen Kopf. Man musste ihm nur zusehen oder kurz mit ihm reden, um zu merken, dass irgendetwas an ihm anders war. Wir haben in all den Jahren manchen verstohlenen Blick und so manches  Geflüster hingenommen und lernten mit der Zeit, uns nichts daraus zu machen. Wir liebten unser jüngstes Kind genau so, wie es war. Er war ein Nachzügler und kam gut zehn Jahre, nachdem wir eigentlich schon mit dem Thema Windeln abgeschlossen hatten. Mary Ann, mit der ich seit beinahe vierzig Jahren verheiratet bin, quält sich mit dem Vorwurf, dass Todds Probleme mit ihrer späten Schwangerschaft zusammenhingen.
    Ich habe inzwischen erkannt, dass es für jede Unzulänglichkeit, die man an Todd entdecken mag, eine besondere Fähigkeit gibt, die man nicht gleich sieht.
    Todd hatte seine Hände immer in den Hosentaschen vergraben und schien nie genau zu wissen, in welche Richtung er gehen sollte, wenn er aus der Tür trat. Seine Kleider passten nur selten zusammen, und sein Haar, das die Farbe eines sonnengebleichten Lassos hatte, war voller Wirbel und Locken. Manchmal saß er einen ganzen Tag lang neben einer Schafherde und sah einfach nur den Tieren zu. An anderen Tagen kam er zufällig an einem Fluss vorbei und folgte ihm flussaufwärts auf der Suche nach der Quelle. Er konnte sie nie finden, was ihn aber nicht davon abhielt, es immer wieder zu versuchen.
    Todd liebte Malerarbeiten. Er strich jedes Gebäude an, vor das ich ihn stellte. Aber die Sache hatte einen Haken. Seine Mutter hatte Angst, dass er vergessen könnte, auf einer Leiter zu stehen, hinunterfallen und  sich verletzen könnte. Wir hatten ihm streng verboten, höher als auf die dritte Sprosse zu klettern, sodass viele Streichprojekte halb vollendet blieben.
    Zu allem Überfluss schienen unsere Nachbarn Spaß daran zu haben, Todd ihre Farbreste zu überlassen. Auch wenn das nett gemeint war, so führte es doch selten zu harmonischen Farbergebnissen. Unsere Farm war mit Farbresten angepinselt, die andere sonst ausgemustert hätten - oft aus gutem Grund. Aber auch hier gewöhnten wir uns an die Gaffer, und niemand amüsierte sich mehr über die Außenansicht unseres Hauses als wir. Wir sagten uns immer, dass das ja nur die Vorstreichfarbe sei, die wir irgendwann übertünchen würden, aber wie so oft bei Hässlichkeiten, nahmen wir sie nach einiger Zeit gar nicht mehr wahr. Wenn Leute an unserem Haus vorbeikamen, erzählten wir stolz, dass wir das Testzentrum der Firma Todd-Farben im Mittleren Westen wären.
    Todd redete nicht viel, außer wenn ihm etwas sehr wichtig war. Aber er pfiff jede Melodie, die er irgendwann im Radio,
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