Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Hueter erwacht

Ein Hueter erwacht

Titel: Ein Hueter erwacht
Autoren: Vampira VA
Vom Netzwerk:
nahe genug kam.
    Radhey Pai wollte den entscheidenden Schritt nicht tun, um nichts in der Welt wollte er in diese Finsternis treten, und er sammelte allen Willen, der ihm noch verblieben war, um seinen Fuß an der Bewegung zu hindern - doch da stand er längst schon inmitten des stockdunklen Raumes, der sich jenseits der Eingangstür anschloß.
    Ein beißender, stinkender Wind traf ihn aus dem Nichts und schlug hinter ihm mit dumpfem Laut die Tür zu. Wie im Reflex wollte Radhey sich danach umdrehen, doch mehr als das bloße Wollen blieb ihm nicht. Sein Nacken schien ihm steif wie der eines Toten. Um keinen Zentimeter ließ sein Kopf sich wenden.
    Dafür bewegten sich seine Beine nun von neuem, trugen ihn tiefer in die Finsternis hinein, ohne daß Radhey selbst es wollte. Unter seinen Füßen knirschte Dreck, unsichtbar wölkte Staub auf und legte sich ihm kratzend auf die Atemwege. Radhey wollte sich räuspern, doch nicht einmal das vermochte er. Dann - - stolperte er unvermittelt!
    Im Dunkeln waren seine Füße gegen ein Hindernis gestoßen. Rad-hey taumelte und stürzte schließlich. Hart schlug er mit dem Gesicht zu Boden, Staub drang ihm in den Mund und vermengte sich mit dem metallenen Geschmack seines eigenen Blutes, das ihm aus den aufgeplatzten Lippen und der Nase rann. Umständlich ließ die fremde Kraft ihn auf die Beine kommen und weitergehen.
    Wenig später strauchelte Radhey ein weiteres Mal, diesmal jedoch ohne zu stürzen. Dafür blieb ihm Gelegenheit, das unsichtbare Hindernis deutlicher zu spüren. Es fühlte sich weich an, zugleich aber schien es schwer genug, daß seine Berührung es nicht von der Stelle bewegte.
    Wie ein menschlicher Körper ...! durchfuhr es den jungen Mann.
    Brechreizerregender Gestank stieg ihm in die Nase.
    Wie von einem Toten ...
    Radhey schauderte ob des Anblicks, den seine Sinne ihm vorgaukelten: das Bild eines verwesenden Leichnams, in dessen leeren Augenhöhlen sich bleiches Gewürm wand, während über die faulenden Lippen schwarze Käfer krochen ... Bittere Galle brannte mit einemmal ätzend in seiner Speiseröhre und füllte ihm den Mund.
    Dann ging es weiter und plötzlich abwärts, die Stufen einer gewundenen Treppe hinab. An ihrem unteren Ende glomm fahles Licht, das Radhey als das von Fackeln und Kerzen identifizierte, als er unten angelangt war.
    Ein seltsames Licht war es, das den Gang und die davon abführenden Stollen schwach erhellte. Seine Kraft reichte kaum über die Flammen hinaus, und es gab keinen verschwimmenden Übergang zwischen Hell und Dunkel, sondern etwas wie eine direkte Grenzlinie, die beide scharf voneinander trennte. Nur dort, wo die Lichtquellen dichter beieinander lagen, waren Einzelheiten der unmittelbaren Umgebung auszumachen: grobes Mauerwerk, das Spinnen im Laufe von Jahren mit ihren Gespinsten überzogen hatten wie mit alterslöchrigen Tapeten. Darin schimmerten vereinzelt Wassertropfen wie kostbare Perlen. Und auf dem Boden -- Leichen.
    Radhey erbrach sich. Was ihm seine Phantasie oben noch vorgemacht hatte, war kaum eine Übertreibung der Tatsachen gewesen.
    Entlang des Ganges, soweit die Sicht eben reichte, sah Radhey Pai drei Menschen liegen. Daß sie weder nur schliefen noch bewußtlos waren, daran konnte es keinen Zweifel geben. Ihre Körper befanden sich in den unterschiedlichsten Stadien der Verwesung, und grobe Nähte schlossen gräßliche Wunden, die allein schon kein Mensch überleben konnte.
    Weitere Zeit zur Betrachtung blieb Radhey nicht, und fast war er dankbar dafür. Die fremde Kraft dirigierte ihn weiter voran, ließ ihn über die Toten hinwegsteigen - um ihm nur ein paar Schritte später den Blick auf die nächsten zu ermöglichen .
    Soweit Radhey erkennen konnte, mußte ein wahres Labyrinth von Gängen das Haus an der Grand Trunk Road unterhöhlen. In unregelmäßigen Abständen führten Türen in anliegende Gewölbe ab, in die er allerdings keinen Blick zu werfen vermochte; zu rasch mußte er voranschreiten, und zudem konnte er den Kopf weder nach links noch nach rechts wenden. Schließlich fühlte er sich gezwungen, zu rennen - ganz so, als drängte mit einemmal die Zeit .
    Noch immer vernahm er den lautlosen Ruf des Fremden. Nach wie vor erfolgte er ohne Worte, sondern - wenn er sich denn überhaupt erklären ließ - über Bilder, die ihm »eingegeben« wurden. Radhey sah Dinge, die er nicht verstand, und doch wußte er, was zu tun von ihm erwartet wurde.
    Vor einer der Kammern blieb er schließlich stehen. So
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher