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Ein Hueter erwacht

Ein Hueter erwacht

Titel: Ein Hueter erwacht
Autoren: Vampira VA
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Lange vor der Zeit. Und es schien, als wäre alles Wissen, das ihm den regenerierenden Schlaf versüßt hatte, hinfällig geworden -- in dieser falschen Zeit!
    *
    Heute Indien, Neu Delhi
    Das Haus kauerte hinter verfilztem Buschwerk und verkrüppelten Bäumen wie ein finsterer Moloch. Die Dunkelheit wirkte um das Gemäuer her dichter als anderswo, als wäre es in schwarzes Gespinst gewoben. Und mit jedem Schritt, den Radhey Pai näher darauf zutat, meinte er ein stetes Absinken der Temperatur zu spüren.
    Was freilich nur Unsinn sein konnte!
    Und doch - Die Eindrücke waren stets die gleichen, wenn Radhey Pai auf dem Nachhauseweg diesen bestimmten Teil der Grand Trunk Road erreichte. Jedesmal nahm er sich fest vor, beim nächsten Mal lieber einen Umweg in Kauf zu nehmen, ehe er auch nur noch ein einziges Mal an diesem unheimlichen Haus vorüberging. Aber jedesmal schalt er sich im Stillen einen Narren deswegen, und wie um sich selbst zu beweisen, daß seine Sinne ihm nur böswillige Streiche gespielt hatten, ging er immer wieder die Grand Trunk Road entlang -und an jenem Haus vorüber .
    Auch heute Nacht.
    Unweigerlich verlangsamte Radhey Pai seinen Schritt, als das seltsame Haus (das tote Haus! flüsterte es in ihm) in Sichtweite kam -obwohl er am liebsten gerannt wäre, nur um es so schnell wie möglich hinter sich zu lassen! Aber je näher er kam, desto schwerer fiel es ihm, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Als müßte er durch einen Sumpf waten, der ihm zäh anhing.
    Ob in dem Haus überhaupt jemand lebte, wußte Radhey nicht. Er selbst hatte dort noch nie einen Menschen ein- oder ausgehen sehen. Von anderer Seite indes waren ihm absonderliche Gerüchte zu Ohren gekommen. Die einen meinten, es würde ein böser Magier darin hausen; andere wiederum behaupteten, das Haus wäre die Heimstatt von Dämonen. Radhey glaubte, daß die Wahrheit irgendwo dazwischen liegen mochte. Denn daß es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gab, als die Schulweisheit (die sich in seinem Fall auf das Nötigste beschränkte) sich träumen ließ, davon war Radhey Pai überzeugt, obwohl er sich ansonsten doch mehr der westlichen und damit eher nüchternen Denkweise verschrieben hatte. Wenn er auch gegenüber den Touristen und Geschäftsreisenden, denen er als Führer die Schönheiten und Geheimnisse seiner Heimatstadt zeigte, mitunter die Maske des Abergläubigen und Traditionalisten zur Schau trug.
    Was jedoch dieses Haus anbelangte, da empfand Radhey Pai eine geradezu urnatürliche Angst, die tief in ihm wurzelte, dort wohl, wo sein ureigenes und wahres Wesen lag, das sich um keinen Deut von dem seiner Ahnen unterschied.
    Etwas an diesem Haus rührte an Radheys Seele, zupfte daran wie mit eisigen Spinnenbeinen, und alle selbsterzwungene Überzeugung, daß er es doch mit nichts anderem als einem alten, leerstehen-den Haus zu tun hatte, kam gegen diese kreatürliche Furcht nicht an.
    Um sich abzulenken, ließ Radhey Pai die Geldscheine, die er über den Tag verdient hatte, in seiner Hosentasche knistern. Ein alberner Versuch, der nur eines zur Folge hatte: Er lauschte noch angestrengter auf die Geräusche seiner Umgebung - auf das leise Rascheln des Gestrüpps jenseits der brüchigen Mauer, auf das säuselnde Singen des Nachtwindes, der sich an Ecken und Kanten des unheimlichen Hauses fing .
    ... und wie so oft meinte Radhey Pai Worte darin zu hören!
    Worte, die der junge Mann nicht verstand; nicht, weil sie etwa einer fremden Sprache entstammten, sondern weil sie sich miteinander vermengten, als kämen sie aus vielen Mündern zugleich. Trotzdem entnahm Radhey Pai den geflüsterten Worten eines: Sie schienen ihm eine Art Warnung zu sein, ihn vertreiben zu wollen von diesem Ort - manchmal in wohlmeinendem Tonfall, dann wieder bösartig drohend.
    Wie immer jedoch verfingen die Worte nicht.
    Radhey Pai blieb stehen. Unmittelbar vor dem übermannshohen Tor in der Mauer. Zwischen den rostigen Gitterstäben hindurch sah er zum Haus hinüber, wie gebannt. Er wollte es nie, und doch tat er es immer wieder. Zum einen, weil er hoffte, irgendwann doch einmal eine Bewegung dort drüben auszumachen; einen Hinweis auf den Bewohner oder wenigstens doch das Treiben in dem alten Haus zu entdecken. Und zum anderen . den zweiten Beweggrund, der ihn stets aufs neue hier verharren ließ, konnte Radhey Pai nicht benennen. Er entzog sich allem rationalen Verständnis, war wie ein fremder Wille, dem der junge Mann einfach gehorchen mußte.
    Doch wie in all
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