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Ein Hueter erwacht

Ein Hueter erwacht

Titel: Ein Hueter erwacht
Autoren: Vampira VA
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den Nächten zuvor rührte sich nichts dort drüben bei jenem Haus. Weder zeigte sich in den schwarzen Fensterhöhlungen der geringste Lichtschimmer, noch war eine Bewegung zu sehen. Das Haus war tot wie eh und je, und wenn etwas darin war, dann mußte es ebenso tot sein.
    Radhey Pai verspürte eine Art absurder Erleichterung und wollte sich abwenden - - als er wie urplötzlich von Lähmung befallen innehielt!
    Jeder Muskel schien ihm mit einemmal aus Stein, und bleierne Schwere füllte seine Glieder, während Eiseskälte sein Innerstes um-krustete.
    Dabei bot das, was Radhey eben - und eigentlich nur noch aus den Augenwinkeln - registriert hatte, kaum Anlaß zu solchem Entsetzen.
    Es war doch nicht mehr gewesen als - Licht . Ein purpurner Glanz, der für den Bruchteil einer Sekunde die Schwärze hinter den Fenstern des Hauses vertrieben und ihr sofort wieder Platz gemacht hatte, wie das Blitzen eines fernen Gewitters.
    Aber - war es wirklich nur in den Fenstern zu sehen gewesen? War der Purpurschimmer nicht durch das Mauerwerk gedrungen, als hätten die Bruchsteine selbst aufgeleuchtet wie in unirdischer Glut?
    Radhey Pai wollte sich dessen nicht sicher sein. Aber er war es. Das flüchtige Bild seiner Erinnerung ließ keinen Zweifel zu: Das Haus selbst war für einen winzigen Moment in purpurnem Licht erstrahlt
    Unmöglich! war sein nächster Gedanke. Doch als wollte etwas ihn vollends überzeugen, glaubte er das Ganze noch einmal zu sehen. Radhey wußte, daß es diesmal nur eine Täuschung war - aber unzweifelhaft war es eine Reflexion dessen, was er zuvor tatsächlich gesehen hatte: Eine lautlose Explosion purpurfarbenen Lichtes, die das Haus ganz und gar durchdrungen hatte, ohne es indes zu zerstören oder auch nur im geringsten zu beschädigen.
    Denn jetzt stand es dort inmitten des dschungelartigen Filzes aus Sträuchern und Bäumen wie ehedem - schattenumhüllt und reglos, als hielte die Zeit selbst in seiner unmittelbaren Umgebung den Atem an. Selbst der laue Wind war eingeschlafen, und mit ihm waren auch die eigenartigen Stimmen verstummt.
    Stumm und reglos stand auch Radhey Pai da. Ohne mit der Wimper zu zucken, starrte er zu dem Haus hinüber. Tief in ihm schrie etwas, daß er fortlaufen möge, so schnell ihn seine Beine nur trugen. Sekunden vergingen, reihten sich zu Minuten - - und dann endlich konnte Radhey Pai sich wieder bewegen. Doch er wandte sich nicht ab, lief nicht die Grand Trunk Road hinab, ging nicht nach Hause. Statt dessen - - schlossen sich seine Fäuste um das rostrauhe Gitter des Tores. Zogen daran. Öffneten es. Und Radhey Pai betrat den verwilderten Garten.
    Weil jemand - oder etwas - ihn zu sich befahl. Um Hilfe rief!
    Nicht mit Worten, sondern auf Wegen, die Radhey Pai auch dann nicht verstanden hätte, wenn er sie hätte ergründen wollen. Aber sein Wille war ausgeschaltet, funktionierte nur noch auf einer Ebene, die sich seinem bewußten Zugriff entzog. Er handelte einzig noch nach dem Wunsch jenes Fremden.
    Es befand sich in dem Haus, das ihm seit Jahren nur Furcht eingeflößt hatte und auf das er nun ohne Zögern zuging.
    Das, was ihn da zu sich rief, gehörte nicht in dieses Haus.
    Und er, Radhey Pai, sollte es wegholen und dorthin zurückbringen, wo sein angestammter Platz war.
    In den - Dunklen Dom .?
    *
    Mit dem Begriff »Dunkler Dom« wußte Radhey Pai nichts anzufangen. Aber er dachte auch nicht darüber nach, ebensowenig wie er überlegte, was er da eigentlich tat. All das schien ihm selbstverständlich, und er kam nicht einmal auf den Gedanken, sich zu widersetzen, weil die entsprechenden Bahnen seines Denkens regel-recht blockiert waren.
    Angst zu empfinden war ihm allerdings noch erlaubt. Und als konzentrierte sich sein anderweitig brachliegendes Bewußtsein einzig darauf - auf die Möglichkeit, sich zu fürchten -, zitterte Radhey Pai wie Espenlaub. Wenn auch nur innerlich, denn seine Schritte waren fest und entschlossen. Fast kam der junge Mann sich vor wie ein Gefangener seines Körpers, dessen Bewegungen und Handeln ein anderer steuerte.
    So sah er seine eigene Hand wie die eines Fremden, als sie das dunkle, rissige Holz der Eingangstür des Hauses berührte und dagegen drückte. Mit einem Ächzen, das klang, als quälte es sich aus menschlicher Kehle, schwang die Tür nach innen - und entschwand Radheys Blick, weil die Finsternis sie schier fraß. Die Dunkelheit lag hinter der Schwelle wie eine amorphe Masse; wie etwas Lebendes, dem alles Nahrung war, was ihm nur
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