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Ein himmlischer Gärtner in Hamburg 2.Michael

Ein himmlischer Gärtner in Hamburg 2.Michael

Titel: Ein himmlischer Gärtner in Hamburg 2.Michael
Autoren: Sissi Kaipurgay , Kooky Rooster , Shutterstock Fotos
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frühen Mannesjahre, doch ab etwa einem Jahr vor dem Ausbruch sind Lücken. Erst sah ich öfter Dinge, die nicht vorhanden waren, dann bin ich einfach umgekippt. Man hielt es zuerst für einen epileptischen Anfall und behandelte mich dementsprechend, bis sich eine andere Diagnose ergab.
    Gehirnentzündung nenne nur ich es, die anderen Fachausdrücke für mein Blackout habe ich mir nicht gemerkt, wozu auch? Es ist jetzt so, wie es ist. Eine Tatsache, die ich gelernt habe zu akzeptieren.
    Zu Anfang, als ich aus dem künstlichen Koma erwachte, habe ich mich vehement dagegen gewehrt, ein Irrer zu sein, doch inzwischen bin ich gelassener. Das einzige, was mir wirklich zu schaffen macht, ist, dass ich wohl nie einen Partner finden werde. Sicher gäbe es unter den Verrückten jemanden, der auch auf Männer steht, doch – ehrlich gesagt – halte ich mich nicht für irre genug, um das auszuhalten. Ich wünsche mir einen ‚normalen‘ Mann, der keine Macken oder Ticks aufweist. Jedenfalls keine, die einer Therapie bedürfen. Schmutzige Socken unter dem Bett, nicht zugeschraubte Zahnpastatuben – alles kein Grund, um sich zu streiten oder gar zu trennen. Unerwartetes Zucken und abgehackte Schreie, gepaart mit Augenrollen sind jedoch für mich ein Grund, sofort wegzulaufen.
     
    Nachdem ich meine Hände gründlich abgetrocknet habe, einen Blick in den Spiegel riskiert und mir selbst die Zunge rausgestreckt, trete ich aus dem Waschraum ins gleißende Sonnenlicht. Einige meiner Arbeitskollegen kommen mir entgegen, um sich vor der Arbeitsaufnahme zu erleichtern, wenn auch auf andere Art als ich. Ich lehne mich gegen die Wand und hebe mein Gesicht den Sonnenstrahlen entgegen.
     
    Hamburg Ohlsdorf – die Sonne brennt
     
    Als ich eben zwischen den künstlerischen Grabsteinen herumgewandelt bin, hatte ich die ganze Zeit ein Kribbeln im Nacken. Doch obwohl ich mich genau umgeschaut habe, konnte ich niemanden entdecken. Merkwürdig, mein Gespür hat mich noch nie betrogen, seit damals – als ich als kleiner Junge jede Nacht auf meinem Bett kauerte, um zu horchen, ob mein Vater kommt um …
    Nun, Schwamm drüber. Inzwischen bin ich achtundzwanzig und habe zahlreiche Therapien hinter mir. Das mit der menschlichen Nähe – ich muss einfach damit leben, dass ich ungern jemanden an mich ranlasse. Damit bin ich doch auch nicht alleine. Man muss sich doch nur mal diese Kolonne von Irren angucken, die gerade über den freien Platz zwischen Aufenthaltsraum und Toiletten stolpern. Manno Mann, will gar nicht wissen, welchen Knall jeder einzelne von ihnen hat. Oh, doch, halt, stopp…
    Genau gegenüber – ich stehe im Geräteschuppen – lehnt ein Mann an der Wand, lächelnd, das Gesicht der Sonne zugewandt. Er wirkt, als wäre er glücklich. Okay, er muss zu den Irren gehören, denn er trägt die gleiche grüne Kleidung, wie die anderen und doch – er sieht gelassen aus und beeindruckt mich mit seiner lockeren Haltung. Ob er gerade in einem Zweituniversum schwebt? Ich meine, man muss doch einen echten Hackenschuss haben, wenn man in der Kolonne Thallerschuss arbeitet, oder? Ich drehe mich um, bevor ich noch mehr in den Mann hineindeuten kann, und kontrolliere die Gerätschaften.
    Doch er geht mir einfach nicht mehr aus dem Sinn. Als es auf dem Innenhof laut wird, gucke ich hinter der halbgeschlossenen Tür hinaus und entdecke den Kerl am Ende der Gruppe, von denen sich einige Mitglieder an den Händen halten, genau wie Kindergartenkinder. Der Mann aber schlendert gelassen hinterher, die Hände in den Hosentaschen vergraben.
    Jetzt bemerke ich auch die zierliche Statur und bewundere die braunen Locken, die unwiderstehlich das Gesicht umrahmen. Oh Mann, der Typ gefällt mir, doch er ist eben ein – Knalli, so wie die anderen. Ich bin selbst behindert genug, um so einen Mann niemals näher an mich heran zu lassen. Ich wende mich wieder den Gerätschaften zu.
     
    Seit knapp drei Monaten bin ich jetzt auf dem Ohlsdorfer Friedhof, zuerst in Kapelle sechs, jetzt in der Nummer zwölf. Deshalb habe ich auch noch den Drang, die Umgebung kennenzulernen. Den Bereich mit den künstlerischen Grabsteinen habe ich erst kürzlich entdeckt und nutze nun jede freie Minute, um dort herumzulaufen. Es hat so etwas – Beruhigendes und zugleich hebt es die Stimmung. Hey, wenn sich jemand einen Phallus aus Stein aufs Grab stellen lässt – das ist einfach lustig. Der Pilz ist auch skurril und die Nachahmung der Kopenhagener Seejungfrau gefällt mir
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