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Ein himmlischer Gärtner in Hamburg 2.Michael

Ein himmlischer Gärtner in Hamburg 2.Michael

Titel: Ein himmlischer Gärtner in Hamburg 2.Michael
Autoren: Sissi Kaipurgay , Kooky Rooster , Shutterstock Fotos
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sehr.
    Dann gibt es noch die britischen Kriegsgräber, deren Rasen tatsächlich abwechselnd hell und dunkel gemäht ist. Ein erhebender Anblick und unwillkürlich stehe ich jedes Mal stramm, wenn ich dort vorbeikomme.
    Als wir jedoch heute mit der Kolonne dort vorbeiziehen, bin ich vollkommen in Gedanken und vergesse den Salut. Was mag der Braunhaarige haben, dass er bei den Knallköppen arbeiten muss? Er sieht doch ganz normal aus – wobei, das sah mein Vater auch und Ulf, mein letzter Freund, der mich noch zwei Jahre lang gestalkt hat, bevor er endlich aufgab.
    Von Irren habe ich also keine Ahnung, von Normalos noch weniger. Ich selbst bin irgendwas dazwischen. Belastet und doch irgendwie normal, nur ein wenig neurotisch. Das hieße also 'neumal' oder aber 'normrotisch', wenn es denn einen Ausdruck dafür geben würde. Mein Therapeut bezeichnet mich als geheilt. Großartig, dabei fühle ich mich gar nicht so, sondern nur wie aufgehalten auf dem Weg zum Suizid. Immer noch schwebt das Damoklesschwert über mir und meine Nächte sind unruhig, doch ich komme damit einigermaßen klar.
     
    Wir müssen heute Gräber in Sehweite der Thallerschussschen Gruppe pflegen. Während ich umgrabe, abstecke und harke, wandert mein Blick immer wieder zu dem Braunlockigen, der in seiner Tätigkeit ganz aufzugehen scheint. Andächtig zupft er Unkraut um Unkraut, wird aktiv, wenn einer der Kollegen einen Anfall bekommt und wirkt auf mich eher wie ein Aufpasser, denn wie ein Behinderter.
    Nach einer Stunde zieht die Kolonne Thallerschuss weiter und ich gucke ihnen bedauernd hinterher. Dem Ablauf zufolge, werde ich sie erst in ein paar Monaten wiedersehen, wenn der Herbst da ist und es gilt, Laub zu harken. Ich sollte mir Braunlocke aus dem Kopf schlagen und fange am besten auch gleich damit an.
     
    Einfacher gesagt als getan. Nach Feierabend hockt er immer noch im Oberstübchen und guckt mich mit den leicht melancholisch wirkenden Augen an. Nicht anklagend, eher sehnsüchtig, doch das ist inzwischen reines Wunschdenken. Ich habe den Mann heute gerade mal eine Stunde aus der Ferne gesehen, damit kenne ich ihn nicht und konnte nicht einmal die Augenfarbe erkennen. Ich bastle mir die Traumgestalt zurecht, stelle mir vor, wie er vor mir steht und dieses unsäglich süße Lächeln trägt. Wow, das macht mich sogar hart. Verliebt in einen Irren? Warum nicht, ich bin doch selbst einer.
    Unter der Dusche hole ich mir auf dieses Traumbild einen runter und – was soll ich sagen? – es ist total geil. Ich spritze und zucke so intensiv, als wär er bei mir. Na dann, er wird also in meine Wichsphantasien aufgenommen, erhält im Moment sogar den ersten Platz. Das schadet niemandem und es weiß auch keiner, außer meinem Therapeuten, dem ich in der nächsten Sitzung davon berichte.
     
    Wahrscheinlich hätte ich mir den Kerl wirklich irgendwann aus dem Kopf geschlagen. Doch nach zwei Wochen finde ich in den ‚Friedhof News‘ etwas, was mich total elektrisiert.
     
    ‚ Für einwöchige Ferienausfahrt Betreuer gesucht. Die Gruppe Thallerschuss macht Urlaub am schönen Plöner See. Als Begleitung – bei freier Kost und Logis – werden noch dringend Frauen und Männer gesucht, die keine Hemmungen haben, auf Behinderte zuzugehen. Interessierte bitte melden bei…‘
     
    Ich muss da einfach mit, denn das ist die Chance, Braunlocke endlich näher kennenzulernen. Nach den nächtlichen Wichseinlagen der letzten Wochen ist ohnehin klar, dass ich irgendetwas tun muss, damit ich keinen Tennisarm riskiere. Meine Runterhol-Frequenz hat sich verdreifacht und es fühlt sich sogar so an, als würde ich nie richtig weich werden. Der Kerl kribbelt überall, ist in meinen Magen und Kopf eingezogen und sogar in meinen Schwanz.
    Wenn ich den Mann aus mir raushaben will, muss ich mich ihm stellen. Das sagt mein Therapeut auch regelmäßig: ‚Herr Tube, Sie müssen sich ihren Ängsten stellen .‘ Der hat gut reden, ist er doch stockhetero und dazu noch verheiratet mit einer angenehmen Frau. In der Situation kann man natürlich solche Ratschläge erteilen und sich dabei gelassen zurücklehnen. Ich seufze.
     
    In der Abteilung, die sich um die Behindertengruppe kümmert, verweist man mich an die Alsterdorfer Anstalten. Dort nimmt man meine Anmeldung freudig entgegen und überreicht mir Informationsmaterial. Auf dem Heimweg überfliege ich rasch den Flyer und stelle beruhigt fest, dass wir in einer Art Hotel untergebracht werden. Ich hatte eine dunkle Vorahnung,
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