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Ein Herzschlag danach

Ein Herzschlag danach

Titel: Ein Herzschlag danach
Autoren: Sarah Alderson
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dort zu mir zurück. Er erzählte mir von seinem Haus – in Strandnähe. Das klang schon mal gut. Viel besser, als mitten in Südlondon, wo man bei helllichtem Tag auf der Straße überfallen wurde.
    Ich lauschte seiner Stimme und genoss seinen Anblick im Profil. Er war sonnengebräunt und sein dunkles Haar etwas länger, als der Militärschnitt vorsah. Er war längst kein Teenager mehr. Es war drei Jahre her, dass wir uns das letzte Mal gesehen hatten, und wir hatten uns beide verändert. Ich fragte mich, wie ich wohl in seinen Augen aussah.
    Als hätte er meine Gedanken gehört, warf er mir einen prüfenden Blick zu. »Du siehst anders aus, Lila.«
    »Ja klar, total ausgepowert«, sagte ich. »Ich hab seit einer Ewigkeit nicht mehr geschlafen, dreißig Stunden oder noch länger.«
    Darüber grübelte er kurz nach. Ich hoffte, dass er nicht nach dem Grund meiner Reise forschen würde. Ich sah, dass ihm genau diese Frage auf der Zunge lag.
    Stattdessen sagte er: »Hätte dich fast nicht erkannt, als du in der Ankunftshalle auf mich zukamst.«
    Darauf gab ich keine Antwort. In den letzten drei Jahren war ich natürlich auch gewachsen, aber er war über eins achtzig und mir fehlten noch gute fünfzehn Zentimeter zu seiner Größe. Ich trug das Haar immer noch lang, aber vielleicht hatte es nicht mehr den honiggoldenen Schimmer, an den er sich erinnern mochte. Woher auch? Für Goldsträhnen gab es schlicht nicht genug Sonne in England. Wir hatten die gleichen Augen, dunkelgrün, umrahmt von dichten Wimpern, aber seine waren sogar noch länger und dichter als meine. Natürlich gab es da noch meine geheime Veränderung, aber die war unsichtbar, und da er meine Gedanken eben doch nicht lesen konnte, war ich sicher, dass er das nicht gemeint haben konnte. Ich rutschte ein wenig auf dem Sitz herum und versuchte, nicht daran zu denken.
    Als er in einen anderen Gang schaltete, fiel mir etwas ins Auge. Ich beugte mich hinüber und schob mit einem Finger den Saum seines T-Shirt-Ärmels höher. Auf seinem Bizeps prangte eine Tätowierung: zwei gekreuzte Schwerter, darüber die Wörter Semper Fi.
    »Mum würde einen Anfall kriegen«, bemerkte ich.
    »Ja, meinst du? Aber sie ist nun mal nicht hier und sieht es nicht.« Er schob den Ärmel wieder zurück und starrte geradeaus auf die Straße.
    Ich blickte ebenfalls nach vorn. Ich hätte Mum nicht erwähnen sollen. Auch nach fünf Jahren reagierte er noch gereizt, wenn er ihren Namen hörte. Er biss die Zähne zusammen, dass seine Kiefermuskeln deutlich hervortraten. Jack war schon immer so leicht zu durchschauen gewesen wie ich, und jetzt standen ihm seine Gefühle klar und deutlich ins Gesicht geschrieben. Nicht zu fassen – ich hatte es geschafft, ihn schon nach weniger als einer halben Stunde zu verärgern! Nicht gerade der beste Anfang, wenn ich ihn bitten wollte, mich für die nächste Zeit bei sich wohnen zu lassen.
    »Was bedeutet es?«, fragte ich schnell, um ihn abzulenken.
    Jacks Miene entspannte sich ein wenig. »Es ist das Motto des Marine Corps – Immer treu, abgekürzt von Semper Fidelis . Die gekreuzten Schwerter sind das Emblem der Einheit. Wir haben es uns alle tätowieren lassen, als wir die Recon-Spezialausbildung und das Special-Operation-Training hinter uns hatten.«
    Seine Einheit. Davon hatte er mir nur selten erzählt, wenn wir miteinander telefonierten. Eigentlich wusste ich kaum etwas darüber. Ich hatte sogar Monate gebraucht, bis ich herausgefunden hatte, dass »Recon« die Abkürzung für Reconnaissance war und seine Einheit also für Aufklärungsarbeit zuständig war. Im Grunde wusste ich nur, dass seine Ausbildung zwei lange Jahre gedauert hatte und er in dieser Zeit selten erreichbar gewesen war. Das war hart für mich gewesen.
    Mir kam ein anderer Gedanke. »Hat Alex auch so eins?«
    »Yep, klar doch.«
    Klar doch. Hätte ich mir ja auch denken können. Ich verbiss mir die nächste Frage: Wenn Alex Gift schlucken würde, würdest du es dann auch tun? Damit hatte meine Mutter ihn ständig aufgezogen. Aber mir war klar, dass es keine gute Idee war, ihn gerade jetzt daran zu erinnern.
    »Alex schaut später vorbei. Er kann es kaum erwarten, dich wiederzusehen.«
    Mein Herz vollführte einen Hüpfer. Ich war sogar sicher, dass es triumphierend aus meiner Brust sprang, wie man es manchmal in den Cartoons sah. Ich biss mir auf die Lippen, um das unvermeidliche breite Grinsen zu unterdrücken. Schließlich sollte Jack nicht merken, in welche Ekstase
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