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Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Titel: Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
Autoren: Trevanian
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blickt auf und sieht gespannte Aufmerksamkeit und Anteilnahme auf den Gesichtern seiner Freunde. Selbst David läßt keine flapsige Bemerkung mehr los. Immer, wenn sie ein bißchen mehr als sonst trinken, kriegt Moische als erster einen Schwips. Der Priester ist enthaltsam, und die beiden andern sind so dick, daß ihr Körper den Alkohol absorbiert. Er kommt sich albern vor. Er lächelt vage und zuckt die Achseln. Das Achselzucken bedeutet: »Tut mir leid. Reden wir nicht mehr davon!«
    Pater Martin aber will es wissen: »Für Sie ist also die größte Sünde die Bestialisierung eines Mitmenschen? Nicht wahr, Moische?«
    Moische streift sich mit den Fingern durch das lange, dünne Haar. »Nein, so einfach ist es nicht. Wie groß eine Sünde ist, hängt nicht von der Tat ab. Die Sache ist viel komplizierter.« Er weiß nicht recht, ob er das in kurzen Worten sagen kann. Oft bringt Moische das Gespräch beim Kartenspielen auf ein Thema, das er während der Arbeitszeit wieder und wieder durchgegangen ist und immer wieder neu formuliert hat. Heute abend aber ist es anders. Wenn er spricht, spricht er zögernd, mit Pausen dazwischen und um Worte ringend. Diesmal teilt er seinen Freunden nicht die Denkergebnisse mit; er offenbart den Denkprozeß. »Ja, ich glaube, Menschen zu Bestien machen gehört wohl zu den großen Sünden. Seht mal … wie soll ich es ausdrücken? Nicht die Tat bestimmt den Grad der Sünde. Und auch nicht das Motiv. Es ist der Effekt. Meiner Meinung nach ist es viel schlimmer, einen guten Familienvater zu töten als einen Triebverbrecher. In beiden Fällen können Tat und Motiv identisch sein, aber der Effekt ist verschieden.
    Also, einen Menschen zur Bestie zu machen kann eine große Sünde sein, weil ein Mensch, der zur Bestie geworden ist, nicht mehr lieben kann. Und die Sünden gegen die Liebe, das sind die größten Sünden und sie verdienen die härtesten Strafen. Diebstahl ist ein Verbrechen, oft auch eine Sünde; aber es wendet sich nur gegen Geld oder Gut. Mord ist ein Verbrechen und auch oft eine Sünde; denn der Grad der Sünde hängt vom Wert des Lebens ab, das vielleicht gar nicht lebenswert ist und anderen Schmerz und Not gebracht hat. Aber die Liebe ist immer gut. Und Sünden gegen die Liebe sind immer die schlimmsten Sünden, weil die Liebe das einzig … das einzig spezifisch menschliche ist, das wir haben. Und darum ist Notzucht die größte Sünde, größer als Mord, weil es eine Sünde gegen die Liebe ist. Damit meine ich nicht nur schwere Vergewaltigung. Ja, ich möchte sagen, Vergewaltigung ist vielleicht die am wenigsten sündige Art der Notzucht, weil nämlich der Täter nicht immer verantwortlich für seine Tat ist. Aber die raffinierten Arten Notzucht, das sind die größten Sünden. Der Unternehmer, der eine Frau nur dann einstellt, wenn sie mit ihm ein Verhältnis eingeht, ist ein Vergewaltiger. Der Mann, der mit einem Mädchen essen geht und sonst noch was, weil er weiß, sie wird sich ihm verpflichtet fühlen, der ist ein Vergewaltiger. Der junge Mann, den ein Mädchen heiß und innig liebt und der ihr was von Liebe erzählt, nur um sie ins Bett zu kriegen, der ist ein Vergewaltiger. Alles Verbrechen gegen die Liebe. Und ohne Liebe … Mein Gott, ohne Liebe …!« Moische blickt hilflos in die Runde und weiß dabei, daß er sich lächerlich macht. Einen Augenblick verharrt er völlig bewegungslos, dann gluckst er und schüttelt den Kopf. »Das ist wirklich zu blöd, meine Freunde. Vier alte Männer, die in einem Hinterzimmer sitzen und von Liebe reden!«
    »Drei Männer«, verbessert David, »und ein Priester. Nun kommt, ein letztes Spielchen! Ich hab' so das Gefühl, mein Glück kommt wieder.«
    LaPointe holt ein Tuch und wischt den Tisch ab.
    David gibt schnell, nimmt dann seine Karten auf, wobei er kleine Laute der Anerkennung ausstößt, während er jede Karte an ihren Platz rückt. »Nun, meine Freunde, werden wir gleich sehen, wer hier Pinochle spielen kann!«
    Geboten wird ziemlich hoch, aber David behält die Oberhand und sagt Trumpf an. Er geht mit vier Punkten baden.
    LaPointe, Moische und Pater Martin stehen an der Ladentür und knöpfen sich die Mäntel zu. Ein naßkalter Wind heult die fast leere Straße hinunter. David lebt in der Wohnung über dem Laden und hat sie nicht zur Tür begleitet. Er sagte gute Nacht und fing an, den Laden für den nächsten Tag aufzuräumen. Dabei murmelte er etwas von: Keiner könne ein Spiel gewinnen, wenn er einen Priester
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