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Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Titel: Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
Autoren: Trevanian
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zuhört, nicht versteht, was ich sage. Übrigens, was ist eigentlich so schlimm am Fluchen? Ist das ein Verbrechen?«
    »Nein«, sagt Pater Martin ruhig. »Es ist eine Sünde.«
    Moische schaut auf. »Genau, Martin. Ich finde diese Unterscheidung wichtig.«
    Er preßt die Handflächen aneinander und berührt mit den Zeigefingern die Lippen. »Ich habe schon wer weiß wie oft über diesen Unterschied zwischen Sünde und Verbrechen nachgedacht. Ganz sicher ist Sünde schlimmer als Verbrechen. Aber ich habe nie ganz rausgekriegt, worin der Unterschied genau besteht.«
    »Junge, Junge«, sagt David und steht auf, um unter einem Bord nach Schnaps zu suchen. »Eure Sorgen möcht' ich haben!«
    »Wenn man zum Beispiel«, fährt Moische fort, ohne David zu beachten, »eine alte Frau auf die Straße setzt, weil sie die Miete nicht bezahlen kann, dann ist das kein Verbrechen. Aber bestimmt eine Sünde. Und umgekehrt: Wenn einer einem reichen Bäcker ein Brot stiehlt, um seiner hungernden Familie zu essen zu geben, dann ist das ganz klar ein Verbrechen. Aber ist es eine Sünde?« David hat eine halbe Flasche Schnaps an Land gezogen und gießt ihn in die leeren Weingläser. »Jetzt frage ich euch mal ernstlich«, beharrt David. »Wen interessiert das?«
    Pater Martin hält seine Finger über seinen Kaffeebecher. »Nicht so viel, danke, David. Nehmen Sie mal folgenden Fall, Moische. Nehmen wir an, Ihr Mann mit der hungernden Familie bricht in einen Lebensmittelladen ein und stiehlt nur die Champignons und den Kaviar, also die teuren Delikatessen. Was haben wir da vor uns: Sünde oder Verbrechen?«
    Moische lacht: »Was wir da vor uns haben, ist ein Priester mit einem feinsinnigen Verstand, mein Freund.«
    »Hat der Mensch Worte?« stößt David nach. »Sagen Sie mal, Claude, Sie sind doch hier der Fachmann für Verbrechen. Wer bricht schon in einen Lebensmittelladen ein und stiehlt nur Champignons und Kaviar?«
    »So was kommt vor«, sagte LaPointe. »Vielleicht nicht gerade das. Aber so was in der Art.«
    »Wer macht so was?« fragt Moische und gießt sich noch einen Schnaps ein. »Und warum?«
    »Tja …« schnüffelt LaPointe und reibt sich mit der flachen Hand die Backe. Er würde hier lieber den Zuhörer spielen, die Sache läßt sich schwer erklären … »Also, sagen wir mal, einer ist immer hungrig. Und sagen wir mal, es sieht ganz danach aus, daß das so bleibt, der hat heute Hunger, und morgen wird er wieder Hunger haben und nächste Woche. So einer bricht dann eben in einen Lebensmittelladen ein und stiehlt die besten Sachen, weil er mal so richtig reinhauen will, auch wenn ihm Champignons überhaupt nicht schmecken. Weil nämlich – ich kann das nicht so erklären –, weil er wenigstens einmal was anstellen möchte, wovon er sein Leben lang zehren kann. Ihr wißt, was ich meine? So ähnlich wie Leute, die können vor lauter Schulden nicht mehr aus den Augen gucken und die gehen hin und schmeißen zu Weihnachten das Geld mit vollen Händen raus. Wo liegt da der Unterschied? Die werden ihr Leben lang aus den Schulden nicht rauskommen. Warum sollen die nicht wenigstens sagen können: ›Das war vielleicht damals was!‹«
    Moische nickt nachdenklich. »Ich weiß genau, was du meinst, Claude. So ein Diebstahl ist wirklich ein Verbrechen.« Er wendet sich zu Pater Martin. »Aber eine Sünde?«
    Pater Martin runzelt die Stirn und senkt die Augen. Er ist sich nicht sicher. »Jjj-a. Ja, ich meine, das ist eine Sünde. Das ist auch ganz begreiflich. Man kann den Mann verstehen. Und doch ist es eine Sünde. Eine Sünde kann verständlich sein, auch verzeihlich, aber daran ist nichts Besonderes.«
    David läßt wieder die Flasche rumgehen, doch Pater Martin legt die Hand entschieden auf sein Glas. »Danke, nein. Es tut mir leid, aber ich muß jetzt gehen. Die Welt wird sich bis Montag gedulden müssen, bevor wir den Unterschied zwischen Sünde und Verbrechen ausmachen.«
    »Halt, warten Sie! Warten Sie.« Moische hält ihn mit einer Handbewegung zurück. Er hat seinen Schnaps auf einen Zug geleert, und seine Augen glänzen. »Ich glaube, wir sollten der Sache nachgehen, solange sie uns noch auf der Seele liegt. Ich glaube, ich sehe eine Möglichkeit, wie man das Problem lösen kann. Jeder soll doch mal sagen, was für ihn die größte Sünde oder das größte Verbrechen ist.«
    »Klarer Fall«, sagt David. »Das größte Verbrechen von der Welt ist, wenn vier alte Kacker große Weisheiten von sich geben, anstatt Karten zu
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